Debatte über besten Weg für Schulöffnungen hält an
Woche für Woche kehren mehr Schülerinnen und Schüler zurück in den Präsenzunterricht. Doch wie soll man sie und ihre Lehrer schützen? Um den richtigen Weg wird weiter gerungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Wenn nach den Sommerferien die Schulen wie geplant wieder komplett öffnen, sollten Lehrer aus Sicht des Deutschen Lehrerverbandes einmal pro Woche auf das Coronavirus getestet werden.
«Wir setzen auf regelmässige wöchentliche Tests von Lehrkräften, auch wenn keine Krankheitssymptome vorliegen», sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der Deutschen Presse-Agentur.
An diesem Montag gehen einige Bundesländer mit Blick auf die Schulen einen grossen Schritt in Richtung Normalität. In Niedersachsen etwa haben zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Krise wieder alle Schüler Präsenzunterricht. In Nordrhein-Westfalen sollen dann alle Grundschüler täglich in die Schule gehen.
Forderungen nach Tests für Lehrer und auch Schüler hatten verschiedene Verbandsvertreter aus dem Bildungsbereich bereits erhoben. In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Pläne. So will Brandenburg Lehrkräften und Kitapersonal anbieten, sich für zunächst drei Monate alle zwei Wochen testen zu lassen. Dem dortigen Linksfraktionschef Sebastian Walter reichen diese Kontrollen nicht. «Da muss man mehr anbieten», sagte er der dpa.
Andere Länder planen stichprobenartige Tests. Ob Stichproben genügten, hänge vom Infektionsgeschehen im jeweiligen Bundesland ab, sagte Meidinger. Als «absolut wichtig und sinnvoll» bezeichnete er Pläne Schleswig-Holsteins, spezielle Einsatzteams bereitzustellen, die im Falle von Coronainfektionen an Schulen «ganz schnell alle Kontaktpersonen testen».
In der «Welt am Sonntag» kritisierte Meidinger: «Die Politik gibt dem gesellschaftlichen Druck nach Öffnungen nach, ohne zuvor ein neues Gesundheitskonzeptvorzulegen.» Es wüchsen die Zweifel, «ob die Politik überhaupt noch die Kraft und den Willen hat, Lockerungen bei künftigen Infektionswellen gegebenenfalls zurückzuschrauben».
Seit den schrittweisen Öffnungen sind einer Umfrage der «Welt am Sonntag» unter den Kultusministerien zufolge bundesweit knapp 60 der rund 33.000 allgemeinbildenden Schulen ganz oder teilweise für einen gewissen Zeitraum geschlossen worden. 35 davon entfallen demnach auf Göttingen, wo es einen grossen Corona-Ausbruch wegen privater Feiern gegeben hatte.
Die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK), die am Donnerstag (18. Juni) turnusgemäss zu einer Videokonferenz zusammenkommt, forderte der Präsident des Lehrerverbandes auf, ein neues, detailliertes Hygienekonzept für die angestrebten vollständigen Schulöffnungen ohne Abstandsregeln nach dem Sommer vorzulegen. Schulträger und Schulen müssten genügend Vorlauf haben, um sich vorzubereiten.
Die Minister wollen bei ihrer Konferenz mit Experten darüber beraten, wie der geplante Regelbetrieb nach den Sommerferien praktisch aussehen könnte. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin und amtierende KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (SPD) hatte für ein Ende der 1,5-Meter-Abstandsregel an den Schulen plädiert.
Die Mehrheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen findet den Start des regulären Unterrichts an Grundschulen am Montag richtig. Das ergab eine repräsentative Umfrage, die von der FDP-Landtagsfraktion beim Institut «Civey» in Auftrag gegeben wurde. Demnach stimmten 57,9 Prozent der Befragten der Entscheidung der Landesregierung zu, 30,5 Prozent beurteilten sie als falsch.
Der Bundeselternrat fordert, dass sich Lehrerinnen und Lehrer angesichts der Corona-Pandemie in den Sommerferien in digitalem Unterrichten fortbilden. «Es gibt Wichtigeres als die Sommerferien», sagte der Vorsitzende des Bundeselternrats, Stephan Wassmuth, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). «Für uns Eltern ist es keine Frage, dass es für Lehrer in den Sommerferien Fortbildungen in Sachen digitales Unterrichten geben muss.»
Der Deutsche Philologenverband lehnt es allerdings ab, Lehrer dazu zu verpflichten. Die Verbandsvorsitzende Susanne Lin-Klitzing sagte dem RND: «Das Problem ist nicht, dass Lehrer nicht bereit wären, sich digital fortbilden zu lassen.» Das Problem sei, dass es oft am Fortbildungsangebot fehle. «Dieses sollte es über das ganz Jahr geben - dann können Lehrer selbst entscheiden, wann sie teilnehmen wollen.»
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beklagt ein Schlechtreden von Lehrern. «Offenbar geben einige Eltern den Druck, unter dem sie selber wegen der objektiv sehr schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie stehen, an die Lehrkräfte weiter», sagte GEW-Chefin Marlis Tepe der «Welt» (Online: Sonntag, Print: Montag). Eltern sollten lieber Druck auf Schulträger, Kommunen, Länder und Bund machen.
Die Rückkehr zum Regelbetrieb ohne Mindestabstand lehnt die GEW-Chefin ab. «Solange die Gesellschaft entscheidet, dass in anderen Bereichen des Lebens Sicherheitsabstände einzuhalten sind, kann es keinen Regelbetrieb der Schulen geben», sagte sie der «Welt». «Ich halte das für sehr gefährlich und fürchte, dass Schulen zu Hotspots werden.»