«Lifeline»-Kapitän auf Malta zu Geldstrafe verurteilt
Der Fall ist ein internationales Politikum: Ein deutscher Kapitän rettet auf dem Mittelmeer Migranten. Dafür landet er in Malta vor Gericht. Ins Gefängnis muss er nun nicht. Bestraft wird er trotzdem.
Das Wichtigste in Kürze
- Der deutsche Kapitän der Hilfsorganisation Mission Lifeline ist nach der Rettung von Migranten auf dem Mittelmeer in Malta zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Eine Gefängnisstrafe blieb Claus-Peter Reisch erspart.
Er müsse 10.000 Euro an lokale Hilfsorganisationen zahlen, weil er das Schiff «Lifeline» vergangenen Sommer ohne ordnungsgemässe Registrierung gesteuert habe, erklärte Mission Lifeline am Dienstag nach dem Urteil. Es sei das erste Mal, dass in der EU jemand im Zusammenhang mit der Rettung von Migranten auf See verurteilt worden sei. Die Dresdner Organisation kündigte Widerstand an und will nach eigenem Bekunden mit einem anderen Schiff bald wieder in See stechen.
Der Kapitän aus dem bayerischen Landsberg am Lech hatte vergangenen Juni im Mittelmeer vor der libyschen Küste mehr als 230 Migranten an Bord des Schiffs «Lifeline» genommen. Danach wurde das Schiff, das unter niederländischer Flagge fuhr, tagelang auf hoher See blockiert. Es durfte erst in Malta anlegen, nachdem mehrere EU-Staaten zugesagt hatten, die Menschen aufzunehmen.
Lifeline-Sprecher Axel Steier kündigte an, in Berufung gehen zu wollen, weil der Kapitän unschuldig sei und mit der Registrierung des Schiffes alles in Ordnung gewesen sei. «Das Urteil ist hanebüchen. Es ist klar, dass das ein politisches Urteil ist, es hat nichts mit Recht zu tun», sagte Steier der Deutschen Presse-Agentur.
Private Seenotretter sehen hinter den juristischen Ermittlungen generell eine europaweite politische Kampagne von Rechtspopulisten, um die Rettung von Migranten zu erschweren und Nichtregierungsorganisationen zu kriminalisieren.
Die «Lifeline» liegt seit nun fast einem Jahr in Malta an der Kette. Das Gericht habe nun zwar einen Antrag der Behörden, das Schiff dauerhaft zu beschlagnahmen, abgelehnt, sagte Steier. Weil Mission Lifeline aber in Berufung gehe, bleibe es bis zu einem endgültigen Urteil beschlagnahmt.
Dies könne bis zu einem Jahr dauern, erklärte der 58 Jahre alte Reisch in Valletta. «Ich bin nicht besonders wütend, weil ich mit dem Ergebnis eigentlich gerechnet habe. (...) Dass es einen Freispruch erster Klasse geben würde, hätte mich mehr als überrascht.»
Schon in den nächsten Wochen will die Hilfsorganisation Reisch zufolge mit einem anderen Schiff zu einer neuen Rettungsmission aufbrechen. Der Richter habe explizit festgehalten, dass es kein Verbrechen sei, Menschenleben zu retten. «Es ist mir eine Ehre, diesen Menschen das Leben gerettet zu haben - und das war es mir einfach auch wert.»
Zentral bleibt in dem Fall die Frage nach der Registrierung. Die niederländische Regierung hatte vergangenes Jahr erklärt, dass das Land nicht offizieller Flaggenstaat der «Lifeline» sei, weil das Schiff nur im Register des Wassersportverbandes eingetragen gewesen sei - ein Register für nicht beruflich genutzte Boote. Mission Lifeline und linke Politiker sehen in dieser Argumentation allerdings nur einen Vorwand, um Migranten aus Europa fern zu halten.
«Die Behörden auf Malta suchen systematisch nach Fehlern in der Schiffsregistrierung, um ein Urteil zu erzwingen und die zivilen Helfer davon abzuhalten, Menschenleben zu retten», sagte Michel Brandt, Obmann der Linken im Bundestags-Ausschuss für Menschenrechte. Sven Giegold, deutscher Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahl, sagte der «Rhein-Neckar-Zeitung», er wolle ein Zehntel der Strafe übernehmen. Das Urteil sei «eine Schande für die ganze EU und ein Armutszeugnis für Europas Regierungen».
Vor allem seit dem Amtsantritt der populistischen Regierung in Italien vor einem Jahr hat sich der Wind gegen Seenotretter gedreht. Italiens rechter Innenminister Matteo Salvini hat die Häfen für Hilfsorganisationen weitestgehend geschlossen. Damit wurde Malta wieder stärker Ziel von Rettungsschiffen. Doch auch das kleine EU-Land weigerte mehrmals die Aufnahme von Migranten von NGO-Schiffen - und pochte auf eine gerechte Verteilung der Menschen auf alle EU-Staaten. Mehrere Schiffe wurden im letzten Jahr dadurch teils wochenlang auf dem Meer blockiert.
Seitdem ist die Zahl der ankommenden Migranten drastisch gesunken. Die Überfahrt über das Meer wird allerdings für die, die es dennoch versuchen, wesentlich gefährlicher. Seit Beginn des Jahres kamen nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration auf der zentralen Mittelmeerroute in Richtung Italien und Malta mehr als 300 Menschen ums Leben.
Politisch umstritten ist auch die Tatsache, dass die EU die libysche Küstenwache darin unterstützt, die Menschen in das Bürgerkriegsland zurückzubringen. Dort drohen ihnen nach Angaben von internationalen Organisationen Folter und Sklaverei.