Linke startet mit neuer Spitze in den Wahlkampf
Für die Linke beginnt mit dem neuen Führungsduo Schwerdtner und van Aken der Kampf um den Wiedereinzug in den Bundestag 2025.
Es ist vielleicht die letzte Chance für die Linke: Nach ihrem Parteitag in Halle startet das neue Führungsduo Ines Schwerdtner und Jan van Aken direkt in den Wahlkampf, um 2025 wieder den Einzug in den Bundestag zu sichern. Die Alternative formulierte Urgestein Gregor Gysi als Schreckensszenario: «Schieden wir aus dem Bundestag aus, wäre Olaf Scholz dort das Linkeste. Ich darf doch wohl bitten.»
Van Aken begeisterte die Delegierten zum Abschluss des dreitägigen Treffens in Sachsen-Anhalt mit der Botschaft, dass jeder Einzelne praktisch alles schaffen könne. «Wir müssen es nur wollen und wir müssen es nur machen», rief van Aken. Sein Beispiel: Die Initiative von Schülern gegen die Abschiebung einer Mitschülerin, die letztlich Erfolg gehabt habe. «Wir können das gewinnen.» Das gehe «immer und überall».
Die neue Co-Vorsitzende Schwerdtner sagte, am Montag gehe es los mit dem Bundestagswahlkampf. Sie kritisierte die politische Konkurrenz. Mit den Grünen gebe es keine soziale Klimapolitik, die SPD besteuere Vermögen nicht höher und tue nichts gegen steigende Mieten. «Wir werden die Partei der Mieterinnen und Mieter werden im nächsten Jahr.»
Das Erfolgsrezept: Klingeln an Hunderttausenden Türen
Van Aken und Schwerdtner möchten in den nächsten Wochen ein Mammutprojekt starten: Sie wollen mit Freiwilligen an Hunderttausenden Haustüren klingeln und Menschen nach ihren konkreten Nöte und Wünschen fragen, ob Miete, hohe Preise oder die Schliessung eines Krankenhauses. Die Antworten würden systematisch ausgewertet, sagte van Aken.
Danach werde die Linke über ihre beiden Fokusthemen für den Wahlkampf entscheiden. Denkbar seien etwa Mietendeckel oder Bürgerversicherung, so van Aken. Er will, dass Wählerinnen und Wähler die Partei eindeutig mit einem sozialen Thema verbinden, quasi als Markenzeichen.
Das Führungsduo: Strategin trifft Kumpel
Die beiden neuen Vorsitzenden scheinen eine Arbeitsteilung zu haben: Die eine tritt eher als Strategin auf, der andere mobilisiert die Partei. Die in Sachsen geborene Schwerdtner ist erst seit einem Jahr in der Linken und hatte vor ihrer Wahl etwas Mühe, die Delegierten auf Betriebstemperatur zu bringen. «Ich habe keine klassische Parteikarriere hinter mir», bekannte die 35-Jährige. Aber: «Ich bin als Sozialistin in eine sozialistische Partei gekommen.» Sie sieht sich als Streiterin für den Osten.
Der Hamburger van Aken tritt kumpelhafter auf und ist bekannter. Der 63-jährige Biologe war bis 2017 zwei Wahlperioden im Bundestag. Der frühere Greenpeace-Aktivist und UN-Biowaffeninspekteur richtete aber auch eine Mahnung an seine oft zerstrittene Partei: «Wenn ihr mich wählt, dann kriegt ihr nicht nur den netten Jan von nebenan, nicht nur die Friedenstaube mit dem Kapuzenpulli. Ihr kriegt auch den Jan, der klipp und klar sagt: Jetzt ist Schluss mit Zoff.»
Die Joker: Gysi und die «Aktion Silberlocke»
Um nach der Abspaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht bei der Bundestagswahl 2025 eine Chance zu haben, dürften gute Stimmung und Mutmacher allerdings nicht reichen. Datengestützte Analysen sollen die Aussichten für Direktmandate in bestimmten Wahlkreisen aufzeigen. Drei würden reichen, um 2025 wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag zu kommen.
Schwerdtner selbst will in Berlin-Lichtenberg die langjährige Abgeordnete Gesine Lötzsch als Direktkandidatin beerben. Aber die Partei braucht auch Promis. Deshalb löste Gysi, seit Jahren ebenfalls Garant für ein Berliner Direktmandat, beim Parteitag Jubel mit einer Ankündigung aus: Er selbst, der frühere Fraktionschef Dietmar Bartsch und der scheidende Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow denken offenbar über eine Kandidatur 2025 nach.
«Wir werden zusammen essen und einen Wein trinken und beraten und darüber nachdenken, ob es den wirklich notwendigen Aufschwung in unserer Partei gibt», sagte der 76-Jährige. «Und wenn wir zu einem positiven Ergebnis kommen, dann starten wir die Aktion Silberlocke.» Soll heissen: Jeder der drei würde sich in dem Fall um ein Direktmandat bewerben. «Über das Ergebnis werde ich euch informieren», sagte Gysi. Es klang schon recht konkret.
Die Hürden: Immer wieder lauert Streit
In Halle klangen einige Linke so aufgekratzt, dass man der Partei das Überleben zutrauen könnte. Aber traditionell kann es mit der Einigkeit auch schnell vorbei sein. Zum Krieg in Nahost gelang unter der Vermittlung von van Aken immerhin ein Kompromissantrag. Gefordert wird ein sofortiger Waffenstillstand. Die Linke stehe entschieden gegen jede Form des Antisemitismus und Rassismus, heisst es darin. Ob auf Dauer alle Linken mitgehen, ist aber offen.
Auch beim Ukraine-Krieg ist sich die Partei weniger einig als etwa beim Kampf gegen Armut oder höheren Steuern für Reiche. Einige stritten beim Parteitag unerbittlich über «das Aggressionsbündnis Nato», die angeblich imperialistische Politik der Bundesrepublik in der Ukraine und so ganz grundsätzlich für die Überwindung des Kapitalismus. Auch beim internen Streitthema Bedingungsloses Grundeinkommen ging es beim Parteitag noch einmal hoch her. Letztlich wurde das Thema auf unbestimmte Zeit vertagt.