Die Lufthansa nimmt die geplante Staatshilfe von neun Milliarden Euro vorerst nicht an. Grund sind mögliche Auflagen aus Brüssel.
Die EU muss das Rettungspaket für die Lufthansa noch genehmigen. Foto: Boris Roessler/dpa
Die EU muss das Rettungspaket für die Lufthansa noch genehmigen. Foto: Boris Roessler/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Lufthansa dreht vorerst eine Warteschleife: Der Aufsichtsrat der Fluggesellschaft hat am Mittwoch die Entscheidung zur Annahme des staatlichen Rettungspakets über neun Milliarden Euro vertagt.
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Als Grund nannte das Unternehmen in Frankfurt mögliche Auflagen der EU-Kommission, die bei einer Staatshilfe die Start- und Landerechte an verschiedenen Flughäfen überprüfen könnte.

Damit würde die Drehkreuzfunktion an den Heimatflughäfen Frankfurt und München geschwächt, argumentieren die Aufsichtsräte und wollen die möglichen Folgen sowie Alternativszenarien prüfen. Hierfür ist bislang allein eine Insolvenz in Eigenverwaltung als so genanntes Schutzschirmverfahren genannt worden. Der Aufsichtsrat nannte aber das Rettungspaket über den staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF die «einzig gangbare Alternative» zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit.

Das Unternehmen war in der Corona-Krise schwer unter Druck geraten, weil kaum noch Flugverkehr möglich ist. Im Konzern sind rund 138.000 Menschen beschäftigt. Zehntausende Jobs stehen wegen der Folgen der Corona-Krise auf der Kippe. Am Montag hatten Bundesregierung und Lufthansa bekannt gegeben, dass das staatliche Hilfspaket für die Fluggesellschaft stehe. Es ist eine Kombination aus Krediten, stillen Einlagen und einer direkten staatlichen Beteiligung. In einem nächsten Schritt muss allerdings die EU-Kommission noch zustimmen.

Der Aufsichtsrat verzichtete zunächst darauf, eine ausserordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Das Gremium müsste über Kapitalmassnahmen abstimmen, die einen Einstieg des WSF ermöglichen würden.

Nach der heftigen Kritik von Ryanair-Chef O'Leary an den geplanten Staatshilfen geriet am Mittwoch der Billigflieger selbst in die Kritik. Deutsche Gewerkschaften sehen Tausende tarifgebundene Arbeitsplätze in Gefahr und werfen den Iren vor, die Krise zum Sozialdumping zu missbrauchen.

Europas grösster Billigflieger wolle beispielsweise bei der in Deutschland aktiven Tochter Malta Air die bestehenden Tarifverträge unterlaufen und bis zu 1200 Kabinenbeschäftigte entlassen, erklärte die Gewerkschaft Verdi am Mittwoch in Berlin. Anschliessend sollten die teils schon seit mehr als zehn Jahren dort Beschäftigten zu Dumping-Konditionen wiedereingestellt werden.

Grosse Probleme gebe es auch bei der Tochter Lauda, die bislang an den Flughäfen Stuttgart und Düsseldorf aktiv war, berichtete Verdi. Die Basis in Wien soll nach einem heftigen Streit mit der dortigen Gewerkschaft Vida geschlossen werden. Die Lauda-Geschäftsleitung hat den Beschäftigten der deutschen Standorte mitgeteilt, dass im Mai keine Gehälter ausgezahlt werden könnten. Das Unternehmen äusserte sich zunächst nicht.

Die Kabinengewerkschaft Ufo warnte vor zu harten EU-Auflagen bei der Lufthansa-Rettung. Sollten etablierte Gesellschaften Start- und Landerechte abgeben müssen, könne diese Lücke nur durch Dumping-Anbieter wie Ryanair und Co. gefüllt werden, erklärte Ufo-Chef Daniel Flohr. Diese arbeiteten weder sozial fair noch nachhaltig.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sagte, Brüssel dürfe Lufthansa keinen zusätzlichen Ballast durch behindernde Auflagen aufbürden. «Das macht die EU-Kommission bei anderen Airlines auch nicht», sagte der CSU-Politiker der Bild. Sein Parteikollege Markus Söder kritisierte, die EU-Kommission müsse sich jetzt darauf konzentrieren, was wirklich wichtig sei. Die Forderung, «die Start- und Landerechte der Lufthansa zugunsten von Billigfliegern einzuschränken, ist dabei nicht sehr glücklich», sagte der bayerische Ministerpräsident in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Der FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte dagegen, Lufthansa und die Bundesregierung hätten durch ihre Streitereien wertvolle Wochen verloren und sich in Europa in eine schwierige Lage manövriert. Die geplante Staatsbeteiligung mit der Option auf eine Aufstockung auf 25 Prozent sei eine hohe wettbewerbsrechtliche Hürde, die nicht nur in Brüssel alle Alarmglocken schrillen lasse. «Die jetzt voll entbrannte Frage nach der grundsätzlichen Rolle Deutschlands in der Coronakrise birgt weiteren europapolitischen Sprengstoff weit über die Entscheidung zu Lufthansa hinaus.»

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit warnte: «Die rund 140.000 Arbeitsplätze bei der Lufthansa dürfen nicht durch unsinnige und wettbewerbsverzerrende Vorgaben gefährdet werden.» Einige Airlines aus dem Low-Cost-Bereich hätten auch deshalb grosse finanzielle Reserven, weil sie jahrelang die Rechte von Mitarbeitern missachtet und zuletzt selbst finanzielle staatliche Hilfen in Anspruch genommen hätten, argumentierte VC-Präsident Markus Wahl.

Bei einer Demonstration vor dem Bundeskanzleramt mahnte die «Bürgerbewegung Finanzwende» mehr Steuertransparenz bei der Lufthansa an. Der Konzern sei in mehreren Schatten-Finanzzentren aktiv, zum Beispiel auf den Cayman Island und in Malta, erklärte Sprecher Gerhard Schick. «Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Gesellschaften in den Steueroasen genutzt werden, um Gewinne dorthin zu verlagern und Steuern in Deutschland zu sparen.» Eindeutige Belege dafür habe man aber nicht.

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