Lukaschenkos Atom-Prestigeprojekt geht bald ans Netz
Das Wichtigste in Kürze
- In Weissrussland geht bald das erste Kernkraftwerk in Ostrowez ans Netz.
- Längst nicht alle haben Freude daran, es werden Erinnerungen an Tschernobyl geweckt.
Unzählige Birkenwäldchen reihen sich aneinander. Eine neue Asphaltstrasse durchquert die weissrussische Landschaft - sie führt auf direktem Weg zum Prestigeprojekt von Präsident Alexander Lukaschenko. Plötzlich ragen von weitem die beiden Kühltürme des Atomkraftwerks in Ostrowez empor, nebenan stehen noch die Baukräne.
Schon bald soll das gigantische Milliardenprojekt des autoritär regierten Landes den Betrieb nahe der EU-Grenze aufnehmen: der erste Meiler 2019 mit 1200 Megawatt Leistung, der zweite im Jahr darauf. Es wird das erste nukleare Kraftwerk in der Ex-Sowjetrepublik, die 1986 wie keine andere von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl in der benachbarten Ukraine getroffen wurde. Der Schock darüber sitzt in der weissrussischen Bevölkerung noch immer tief, die gesundheitlichen Folgen sind auch Jahrzehnte später zu spüren. Demonstrationen in Weissrussland brachten aber keine Kursänderung.
AKW als Zankapfel
Das Akw mit Blöcken des Typs WWER-1200 ist seit Jahren ein Zankapfel zwischen Minsk und dem benachbarten EU- und Nato-Land Litauen, denn der Betonkoloss steht nur 40 Kilometer von dessen Hauptstadt entfernt. Bei klarer Sicht kann man von Vilnius aus die Kühltürme erkennen. Direkt vor der Grenze stehe ein gefährlicher Atommeiler, der im schlimmsten Fall das kleine Land ausradieren könnte, sagen die Balten.
Der weissrussische Vize-Energieminister Michail Michadjuk zitiert deshalb immer wieder die nationale Energiestrategie seines Landes. Er beschwichtigt: Es sei eines der modernsten Atomkraftwerke, von der EU als sicher eingestuft und von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) besichtigt.
Deutschland bleibt vage
Für Litauen ist der Einfluss Moskaus bei diesem Projekt mindestens genauso fragwürdig wie die Sicherheit. Ähnlich wie die geplante Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee sieht Vilnius das Akw eher als geopolitischen Coup Moskaus an denn als wirtschaftliche Kooperation. Mit der Pipeline versuche man, «einen Keil zwischen die EU-Mitgliedstaaten zu treiben», sagt Litauens Regierungschef Saulius Skvernelis. Das Akw sei von der Sicherheit her eines der grössten Probleme in seinem Land und eine ernsthafte Bedrohung. Jahrelang kämpfte das Land gegen das Kraftwerk an - ohne Erfolg.
Viele Litauer hatten sich eine deutlichere Unterstützung vor allem vom mächtigen Deutschland erhofft, das nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima einen kompletten Ausstieg aus der Atomenergie angekündigt hatte. Doch Berlin bleibt vage. «Alle souveränen Länder können selbst über ihre Energieproduktion entscheiden», sagt auch die Chefin der Deutschen Energie-Agentur (Dena), Kristina Haverkamp.