Kurz vor Beginn des Prozesses in Paris zum Anschlag auf die Satirezeitung «Charlie Hebdo» hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Recht auf Blasphemie in seinem Land verteidigt.
Ein Wandbild für die Opfer von «Charlie Hebdo»
Ein Wandbild für die Opfer von «Charlie Hebdo» - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Verfahren zu Anschlägen vom Januar 2015 beginnt am Mittwoch in Paris.
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Das Recht auf blasphemische Äusserungen und Darstellungen sei in Frankreich durch die Gewissensfreiheit abgedeckt, sagte Macron am Dienstag. Der Prozess zu mehreren Anschlägen vom Januar 2015, darunter dem auf «Charlie Hebdo», soll am Mittwoch (10.00 Uhr) beginnen. Angeklagt sind 14 Verdächtige.

Macron sagte während eines Besuchs in der libanesischen Hauptstadt Beirut, seine Rolle als Präsident sei es, die Gewissensfreiheit und damit auch das Recht auf Blasphemie «zu schützen». Es sei nicht seine Aufgabe, die redaktionellen Entscheidungen von Journalisten zu beurteilen. Der Staatschef sagte auch, am Mittwoch seien die Gedanken der Menschen bei den Frauen und Männern, die bei den Anschlägen im Januar 2015 getötet worden waren.

In dem Prozess müssen sich elf Verdächtige vor einem Schwurgericht wegen «Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe» verantworten. Zwei weitere Männer und eine Frau sind in Abwesenheit angeklagt, sie werden mit internationalem Haftbefehl gesucht. Nach Einschätzung von Geheimdiensten kamen diese Angeklagten aber womöglich in Syrien oder im Irak ums Leben.

Es handelt sich um den bisher grössten Prozess wegen der islamistischen Anschlagsserie mit insgesamt 258 Todesopfern in Frankreich. Alle 14 Angeklagten werden beschuldigt, Helfer der drei Attentäter vom Januar 2015 gewesen zu sein. Die Attentäter waren von der Polizei erschossen worden.

Die Angeklagten sollen das islamistische Brüderpaar Chérif und Saïd Kouachi unterstützt haben, das die Redaktionsräume von «Charlie Hebdo» gestürmt und kaltblütig zwölf Menschen getötet hatte, darunter einige der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs. Die Kouachi-Brüder selbst wurden nach zweitägiger Verfolgungsjagd von Elitepolizisten aufgespürt und getötet.

Zudem sollen die Angeklagten dem mit den Brüdern befreundeten Islamisten Amédy Coulibaly geholfen haben. Er hatte eine Polizistin in einem Pariser Vorort und vier weitere Menschen bei der Geiselnahme in dem vor allem von Juden besuchten Supermarkt «Hyper Cacher» getötet. Coulibaly wurde erschossen, als die Polizei das Geschäft stürmte.

Rund 200 Menschen haben sich als Zivilkläger dem Strafverfahren angeschlossen. Darunter sind Überlebende sowie Angehörige der insgesamt 17 Anschlags-Opfer. Rund 150 Zeugen und Experten sollen aussagen.

Von dem Prozess wird Aufklärung über die Hintergründe der Anschläge erhofft, hinter denen das Extremistennetzwerk Al-Kaida im Jemen und die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) stecken sollen. Wegen seiner historischen Bedeutung wird der gesamte Prozess gefilmt. Die Pariser Anti-Terror-Staatsanwaltschaft hat die Verhandlungen bis zum 10. November angesetzt. Ursprünglich sollten sie bereits im Mai beginnen, doch die Corona-Krise und die Ausgangsbeschränkungen kamen dazwischen.

«Charlie Hebdo» kündigte an, zum Prozessbeginn erneut die Mohammed-Karikaturen zu veröffentlichen, die heftige Empörung unter Muslimen ausgelöst hatten. «Wir werden niemals ruhen. Wir werden niemals aufgeben», schrieb Reaktionsleiter Laurent Sourisseau alias «Riss» am Dienstag in der Online-Ausgabe.

Die Mohammed-Karikaturen sollten auf dem Titelbild der gedruckten Ausgabe vom Mittwoch erscheinen. Dabei handelt es sich um ein Dutzend Karikaturen, die 2005 erstmals von der dänischen Tageszeitung «Jyllands-Posten» veröffentlicht und 2006 von «Charlie Hebdo» nachgedruckt worden waren. Weltweit fühlten sich viele Muslime durch die Abdrucke provoziert.

Die Regierung in Pakistan übte scharfe Kritik an dem erneuten Abdruck der Mohammed-Karikaturen. Pakistan verurteile dies «auf schärfste Weise», erklärte das Aussenministerium. Durch die erneute Veröffentlichung würden «die Gefühle von Milliarden von Muslimen» absichtlich verletzt. Dies lasse sich nicht mit der Presse- oder Meinungsfreiheit rechtfertigen.

In Pakistan gibt es rigorose Gesetze gegen Blasphemie. Beleidigungen des Propheten Mohammed können dort mit der Todesstrafe geahndet werden.

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