Macron will bei Gipfel Grundsatzdebatte über die Nato
Frankreichs Präsident hält die Nato für «hirntot» und hat eine klare Botschaft: Die Europäer müssen mehr für ihre eigene Verteidigung tun. Nun prescht Macron wieder vor.
Das Wichtigste in Kürze
- Frankreichs Präsident Emmanuel Macron legt bei seiner Nato-Kritik nach und fordert eine Grundsatzdebatte beim Gipfel des Bündnisses Anfang Dezember in London.
Dort müsse auch über den Sinn der westlichen Allianz gesprochen werden, hiess es am Wochenende aus dem Präsidialamt in Paris. In der Europäischen Union will Macron den gegenseitigen militärischen Beistand stärken - offensichtlich um die Union unabhängiger vom Schutz der Nato zu machen. Deutschland reagiert nach wie vor kühl auf Macrons Drängen.
Macron hatte der Nato kürzlich den «Hirntod» bescheinigt. Es gebe bei strategischen Entscheidungen keine Koordinierung zwischen den USA und anderen Nato-Partnern, sagte er dem «Economist». Er forderte mehr europäische Eigenständigkeit und warnte, die USA seien kein zuverlässiger Partner mehr. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Macrons Äusserungen als überzogen zurückgewiesen.
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ging am Wochenende ihrerseits auf Distanz zu Macron. Zwar sei man sich einig, dass Europa stärker militärisch zusammenarbeiten müsse, sagte die CDU-Chefin der «Welt am Sonntag». Aber: «Die Franzosen streben eine starke europäische Zusammenarbeit an, um die Nato zu ersetzen.» Ihr gehe es hingegen um europäische Handlungsfähigkeit und die Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato.
Macron hat keinen Ausstieg aus der Nato angekündigt, wie sein Umfeld betont. Doch hatte er im «Economist» gesagt, aus seiner Sicht habe Europa die Fähigkeit, sich selbst zu verteidigen, unter anderem wegen der starken französischen Streitkräfte. Die Koordinierung und Verzahnung der militärischen Zusammenarbeit auf EU-Ebene kommt allerdings bisher nur in kleinen Schritten voran.
Mit seiner Initiative zur Stärkung der militärischen Beistandsklausel im EU-Vertrag setzt Macron nun an einer weiteren Stelle an. In Artikel 42.7 heisst es: «Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung». Die Klausel wurde erst einmal aktiviert: von Frankreich selbst nach den Terroranschlägen von Paris 2015.
Nach einem Bericht der «Welt am Sonntag» schlägt Paris in einem Arbeitspapier vor, «die Operationalisierung» der Klausel zu verbessern. Damit solle sichergestellt werden, «dass jedes EU-Land, unabhängig von der Grösse seines militärischen oder diplomatischen Netzwerks Artikel 42.7 reibungslos und rechtzeitig aktivieren kann».
Der Europäische Auswärtige Dienst soll im Fall eines Angriffs auf einen EU-Staat «Koordinationsdrehscheibe» für Unterstützungsleistungen aus anderen EU-Ländern werden. Zudem sollten die EU-Staaten in Krisenübungen Fähigkeitslücken finden und prüfen, ob die Klausel beispielsweise auch bei Cyberattacken oder sogenannter hybrider Kriegsführung gilt.
Der Deutschen Presse-Agentur liegt das französische Papier ebenfalls vor. Nach Angaben von Diplomaten wurde es von anderen EU-Staaten zunächst zurückhaltend aufgenommen - vor allem von jenen, die bei der kollektiven Verteidigung weiter vor allem auf die Nato setzen wollen. Dennoch soll der Auswärtige Dienst eine Analyse zum Thema erstellen.
Die Nato will am 3. und 4. Dezember in London ihr 70-jähriges Bestehen feiern. Die Treffen sind jedoch durch die unstete Aussenpolitik von US-Präsident Donald Trump inzwischen unberechenbar. 2018 war ein Nato-Gipfel nur knapp einem Eklat entgangen, als Trump hinter verschlossenen Türen drohte, sein «eigenes Ding» zu machen.
Zur Vorbereitung des Gipfels treffen sich die Nato-Aussenminister diese Woche in Brüssel. Macron plant zudem vor dem Gipfel Gespräche mit Merkel sowie Trump und dem britischen Premier Boris Johnson.