Macron nennt Kritiker seiner Nato-Analyse «scheinheilig»
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat nach der scharfen Kritik an seinen Äusserungen zum «Hirntod» der Nato nachgelegt: Er warf seinen Kritikern am Dienstag auf einer Friedenskonferenz in Paris «Zimperlichkeit und Scheinheiligkeit» vor.
Das Wichtigste in Kürze
- Frankreichs Präsident sieht auch Vereinte Nationen in der Krise.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte ihn für seine Worte öffentlich gerügt. Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) mahnte einen Dialog mit allen Nato-Partnern an.
Macron sagte zur Eröffnung des zweitägigen Pariser Friedensforums vor rund 30 geladenen Staats- und Regierungschefs, er habe womöglich einige mit seinen Nato-Äusserungen «vor den Kopf gestossen». Er fügte hinzu: «Wir brauchen die Wahrheit. Zimperlichkeit und Scheinheiligkeit funktionieren nicht.»
Macron hatte der Nato in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der Zeitschrift «The Economist» den «Hirntod» bescheinigt. Er begründete dies unter anderem mit einer mangelnden Koordination der USA mit den Europäern und einem «aggressiven» Vorgehen des Nato-Mitglieds Türkei in Syrien.
Maas zeigte bei der Pariser Konferenz teilweise Verständnis für Macrons Äusserungen. In der Tat gebe es «Handlungsbedarf in der internationalen Zusammenarbeit», und «auch innerhalb der Nato», sagte er. Aus Sicht der Bundesregierung gehe es aber darum, «alle in Europa in dieser Diskussion mitzunehmen, auch die anderen Verbündeten innerhalb der Nato», betonte Maas.
Bundeskanzlerin Merkel hatte dem französischen Staatschef zuvor «drastische Worte» und einen unnötigen «Rundumschlag» vorgeworfen. Auch Polen und andere Bündnisländer nannten die Äusserungen Macrons nicht hilfreich. Viele osteuropäische Mitgliedsländer sehen sich von Russland bedroht und halten es deshalb für gefährlich, die Nato in Frage zu stellen.
Doch Macrons Analyse geht noch weiter: Auf dem Friedensforum bescheinigte er dem internationalen System insgesamt eine «beispiellose Krise». Institutionen wie die Vereinten Nationen seien «blockiert», sagte er. Nötig seien deshalb neue Formen der Zusammenarbeit und der Konfliktlösung.
Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warb bei dem Pariser Forum für eine stärkere Rolle Europas in der Welt. Dafür wolle sie «eine echte geopolitische Kommission aufbauen», sagte von der Leyen weiter. Sie sprach sich erneut dafür aus, das europäische Budget für die Aussenpolitik um 30 Prozent zu erhöhen. Macron hatte bei seiner Nato-Kritik gefordert, Europa auch militärisch zu stärken.
Nötig sei auch «effektiveres multilaterales Handeln», sagte von der Leyen. Derzeit sei «viel zu oft das Gegenteil der Fall», beklagte sie. «Mächtige Staaten machen Alleingänge», sagte sie unter Anspielung auf die USA, die keinen hochrangigen Vertreter auf dem Pariser Forum haben.
Vertreter Chinas und afrikanischer Länder warben bei der Konferenz für einen Abbau internationaler Handelsschranken und mehr Klimaschutz. Macron hatte das Friedensforum im vergangenen Jahr ins Leben gerufen. Anlass war der 100. Jahrestag des Weltkriegsendes 1918, zu dem unter anderem Merkel, US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin nach Paris kamen.