Sterne

Mehr Lichtverschmutzung: Immer weniger Sterne sichtbar

DPA
DPA

Deutschland,

Lichtverschmutzung hat viel stärker zugenommen als bisher angenommen. Immer weniger Sterne am Nachthimmel sind noch mit blossem Auge sichtbar. Experten warnen auch vor Risiken für Umwelt und Ökosystem.

Die roten Positionslichter an Windenergieanlagen erhellen den Nachthimmel und die Landschaft. Lichtverschmutzung nimmt viel stärker zu als bisher erwartet.
Die roten Positionslichter an Windenergieanlagen erhellen den Nachthimmel und die Landschaft. Lichtverschmutzung nimmt viel stärker zu als bisher erwartet. - Patrick Pleul/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Früher waren viel mehr Sterne am Himmel zu beobachten? Dieser Eindruck täuscht nicht.

Die Lichtverschmutzung am Nachthimmel nimmt viel stärker zu als bisher erwartet und lässt die Sichtbarkeit von Sternen drastisch sinken.

Zu diesem Ergebnis kommt eine im Fachmagazin «Science» veröffentlichte Analyse, für die Wissenschaftler die Beobachtungen von 51.351 Menschen – vor allem in Europa und Nordamerika – zwischen 2011 bis 2022 ausgewertet haben.

Die Forschenden um Christopher Kyba, Experte am Deutschen Geoforschungszentrum GFZ in Potsdam und der Ruhr-Universität Bochum, zeigten sich überrascht und besorgt. «Die Geschwindigkeit, mit der Sterne für Menschen in städtischen Umgebungen unsichtbar werden, ist dramatisch», betonte Kyba.

Lichtverschmutzung bezeichnet die künstliche Aufhellung des Nachthimmels durch Lichtquellen wie Strassenbeleuchtung, angestrahlte Fassaden, Gebäude, Parks oder auch leuchtende digitale Werbeflächen. Sterne sind am aufgehellten Himmel kaum oder nicht erkennbar. Pro Jahr nehme die Himmelshelligkeit im weltweit ermittelten Durchschnitt um 9,6 Prozent pro Jahr zu, fanden die Forscher nun heraus. Für Europa ergab sich 6,5 Prozent mehr Helligkeit pro Jahr, für Nordamerika ein Plus von 10,4 Prozent.

Der «Grosse Bär» fürs blosse Auge unsichtbar?

Bleibe es bei dem globalen Durchschnitt von jährlich 9,6 Prozent mehr Himmelshelligkeit, bedeute das modellhaft: Ein Kind, das an einem Ort auf die Welt kommt, an dem bei seiner Geburt 250 Sterne sichtbar sind, wird dort an seinem 18. Geburtstag nur noch 100 Sterne sehen können, wie Kyba der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Werden die Menschen sich in absehbarer Zeit gar nicht mehr an funkelnden Sternen erfreuen können, werden der «Grosse Bär» oder die «Waage» am Firmament für unser blosses Auge unsichtbar? Kyba meinte: «Ich hoffe, dass der Trend so nicht anhält, dass es mehr Gegenmassnahmen gibt. Es liegt an uns.»

Das Problem nehme seit Langem rasant zu, schilderte er. Wenn der Himmel auch lange nach Sonnenuntergang noch in einer künstlichen Dämmerung strahlt, hat das negative Folgen für Sternenbeobachtung und Astronomie – und nicht nur das: Es komme auch zu gravierenden Folgen für die Umwelt, warnen die Wissenschaftler. Viele Verhaltensweisen und physiologische Prozesse von Lebewesen sind von tageszeitlichen und saisonalen Rhythmen bestimmt – und damit vom Licht beeinflusst, erläuterte die US-amerikanische Mitautorin Constance Walker. «Das Himmelsleuchten beeinträchtigt sowohl tag- als auch nachtaktive Tiere und zerstört ausserdem einen wichtigen Teil unseres kulturellen Erbes.»

Es brauche geeignete Messverfahren, um mehr Erkenntnisse über die gravierenden Entwicklungen zu erhalten, mahnte Walker laut Mitteilung. Satelliten seien dafür nicht exakt und empfindlich genug. Bisher war man auf Basis von Satellitendaten von einer jährlichen Helligkeitszunahme von etwa 2 Prozent ausgegangen, es hatte sogar Hinweise auf eine minimale Abnahme gegeben.

Zur Methodik des Projekts

Die gut 50 .000 «Bürgerwissenschaftler» hatten ihren Nachthimmel mit blossem Auge betrachtet und gaben in einem Online-Formular an, welche von acht Sternkarten am besten zu dem Gesehenen passte. Jede Karte zeigte den Himmel mit verschiedenen Graden an Lichtsmog. Die Angaben repräsentieren demnach 19.262 Standorte weltweit, darunter knapp 3700 Orte in Europa und fast 9500 in Nordamerika. Zudem sei ein Modell für die Himmelshelligkeit benutzt worden, das auf Satellitendaten von 2014 basiere.

Die Vereinigung der Sternfreunde – Mitglieder sind Amateurastronomen, Volkssternwarten und auch Planetarien – wies darauf hin, dass schon heute in dicht besiedelten Regionen die Betrachtung des Sternenhimmels mit blossen Auge fast unmöglich sei. In Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet und in Metropolen «sieht man leider nur noch enttäuschend wenig», sagte Andreas Hänel der dpa. Die Lichterglocke von Berlin sei so weitreichend, dass sie noch bis zu 80 Kilometer entfernt zu sehen sei. Es gebe immer mehr lokale Projekte und Massnahmen, um künstliches Licht zu reduzieren, sie reichten aber nicht aus.

Verbindliche Grenzwerte gefordert

Der Umweltschutz müsse auch den Himmel einschliessen, forderte die Vereinigung. Der Gesetzgeber habe Lichtimmissionen als Problem erkannt und ins Bundesimmissionsschutzgesetz aufgenommen, berichtete Hänel. Es brauche allerdings verbindliche Grenzwerte. Auch die Umweltorganisation BUND warnte vor negativen Auswirkungen auf das Ökosystem, auf Tier- und Pflanzenwelt. Beim Menschen könne ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus infolge wachsender nächtlicher Beleuchtung die Produktion des «Schlafhormons» Melatonin unterdrücken und Schlafstörungen verursachen.

Kyba betonte: «Deutschland beleuchtet im Vergleich zu anderen Ländern sehr konservativ, das ist gut.» Zu den Regionen mit dunklem Himmel und noch guter Sicht auf die Sterne gehörten etwa die Eifel, Rügen oder die Mecklenburger Seenplatte. Er hält aber ein noch stärkeres Bewusstsein, deutlich mehr Lichteinsparung und einheitliche Regelungen für die öffentliche Beleuchtung für erforderlich. Hänel glaubt, wenn es kein echtes Umdenken gebe, «wird es in Zukunft nur noch wenige Orte geben, zu denen man dann weit reisen muss, um die Sterne gut zu sehen».

Kommentare

Weiterlesen

SBB Fundzentrale
25 Interaktionen
taschendiebin
193 Interaktionen

Mehr in News

Mehr aus Deutschland

Stefan Raab
1 Interaktionen
Musks
9 Interaktionen
Wahlkampf
3 Interaktionen