Neue Corona-Variante sorgt für Weihnachtschaos
In Grossbritannien ist eine neue Corona-Variante ausgebrochen. Über Weihnachten gilt deshalb in London ein harter Shutdown – viele Einwohner sind abgereist.
Das Wichtigste in Kürze
- In Grossbritannien ist eine neue Corona-Variante ausgebrochen.
- London muss über die Weihnachtstage in einen harten Shutdown.
- Viele Einwohner sind nun abgereist.
Eine neue Variante des Coronavirus wirbelt die Weihnachtspläne von Millionen Menschen in Grossbritannien durcheinander. Und zwingt die Hauptstadt London in den Shutdown. Die Mutation breitet sich vor allem in Südostengland rasant aus. Sie ist nach Behördenangaben bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannte Form.
«Sie ist ausser Kontrolle, und wir müssen sie wieder unter Kontrolle bekommen», sagte Gesundheitsminister Matt Hancock am Sonntag der BBC. In sozialen Netzwerken wünschten sich Nutzer «Merry ChristMESS» – ein Wortspiel mit dem englischen Wort «Mess» (Chaos).
Keine Hinweise auf schwerere Krankheitsverläufe
Premierminister Boris Johnson betonte, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Mutation schwerere Krankheitsverläufe oder eine höhere Sterblichkeitsrate auslöse oder dass Impfstoffe gegen die Mutation weniger effektiv seien.
In Deutschland ist die neue Variante nach Angaben von Christian Drosten von der Berliner Charité bisher nicht aufgetaucht. Die Verbreitung könne Zufall sein, schrieb der Corona-Experte auf Twitter. Die Mutationen verschafften dem Virus nicht zwingend einen Selektionsvorteil, auch wenn das möglich sei. Ein Selektionsvorteil kann dazu führen, dass sich ein Virus leichter ausbreiten kann.
Harter Shutdown über Weihnachtstage
Um das Virus einzudämmen, gilt aber seit Sonntag in der Hauptstadt London und weiten Teilen Südostenglands auch über die Weihnachtstage ein harter Shutdown mit Ausgangssperren. Mehr als 16 Millionen Menschen sind betroffen, die ihre Häuser nur noch zur Arbeit und in wichtigen Ausnahmen wie Arztbesuchen oder Lebensmitteleinkäufen verlassen dürfen.
Johnson erklärt: «Wir opfern die Möglichkeit, unsere Lieben dieses Weihnachten zu sehen. Damit wir eine bessere Chance haben, ihr Leben zu schützen und sie bei zukünftigen Weihnachten sehen zu können.»
Londons Bürgermeister Sadiq Khan zeigte Verständnis für den Shutdown, bei dem nicht lebensnotwendige Geschäfte und Einrichtungen schliessen müssen. Zugleich kritisierte er die Regierung, die noch vor wenigen Tagen an den geplanten Weihnachts-Lockerungen festgehalten hatte.
«Es ist das Hin und Her, das zu so viel Angst, Verzweiflung, Trauer und Enttäuschung führt.» Dies sagte Khan der BBC. «Wenn wir unsere Meinung immer wieder ändern, macht es das Leuten wie mir wirklich schwer, die Menschen zu bitten, uns zuzuhören.»
Viele Einwohner reisten aus London ab
In London und anderen Regionen in Südostengland gilt nun die neue höchste Corona-Stufe 4. Einwohner dürfen dieses Gebiet nicht verlassen. Nach Bekanntgabe der schärferen Massnahmen machten sich zahlreiche Menschen noch am Samstagabend spontan auf den Weg, um aus London abzureisen.
Fotos und Videos zeigten volle Bahnhöfe. Er habe Verständnis, dass Menschen zu ihren Familien reisen wollen, sagte Khan. «Aber es ist falsch.» Denn die Reisenden könnten das Virus mit sich tragen.
Minister Hancock sprach von «unverantwortlichem Verhalten». Und schloss nicht aus, dass die schärferen Massnahmen «in den kommenden Monaten» in Kraft blieben. Dies bis flächendeckend gegen Corona geimpft worden sei. Auch andere Landesteile wie Wales und Schottland verschärften die Restriktionen.
Mutation bringe viele genetische Veränderungen mit sich
Ersten Analysen britischer Wissenschaftler zufolge verfügt die neue Variante über ungewöhnlich viele genetische Veränderungen. Vor allem im Spike-Protein. Dieses Protein benötigt das Virus, um in Zellen einzudringen. Der in Grossbritannien eingesetzte Biontech-Impfstoff erzeugt eine Immunantwort gegen genau dieses Protein.
Zwar gibt es Befürchtungen, dass der Impfstoff gegen die neue Variante möglicherweise nicht wirkt, aber Experten zeigten sich zuversichtlich. «Ich sehe da derzeit keinen Grund für Alarm», sagte Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel.
Auch Andreas Bergthaler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) in Wien, hält die derzeitige Entwicklung nicht für «wahnsinnig alarmierend». Dass Mutationen auftauchen sei nicht ungewöhnlich. Derzeit wisse man nicht, ob die beobachteten Veränderungen die Eigenschaften des Erregers überhaupt entscheidend verändern.
Vor über einer Woche mit Massenimpfung begonnen
Grossbritannien hatte vor gut anderthalb Wochen mit einer Massenimpfung begonnen. Mit Stand Samstagmorgen hätten etwa 350'000 Menschen das Vakzin erhalten, sagte Premier Johnson. Gesundheitsminister Hancock sagte, bis Sonntagabend sei vermutlich eine halbe Million Menschen versorgt.
Grossbritannien ist bereits jetzt eines der am schwersten von der Pandemie betroffenen Länder. Es zählt insgesamt mehr als zwei Millionen Infektionen und weit mehr als 80'000 Todesfällen in Verbindung mit dem Coronavirus.