Coronavirus: So schlecht lebt das Schweizer Pflegepersonal
Schweizer Pflegeleute sind am Anschlag. Eine Pflegefachfrau aus Bern erzählt, wie sie sich mit kleinem Lohn durchkämpfen muss.
Das Wichtigste in Kürze
- Laura H.* (32) arbeitet in der Corona-Abteilung einer Berner Klinik.
- Gegenüber Nau.ch erzählt sie, wie wenig sie verdient und wie sie damit klarkommt.
Die Schweiz befindet sich inmitten der zweiten Welle. Langsam macht sich im Land eine gewisse Corona-Müdigkeit bereit.
Das Virus betrifft längst nicht mehr nur unsere körperliche Gesundheit. In einer am Donnerstag veröffentlichten Studie der Universität Basel kam ans Licht, dass rund ein Fünftel aller Schweizer «schwere depressive Symptome» aufzeigt.
Doch wenn die Pandemie schon bei Normalbürgern auf die Psyche schlägt, wie muss es erst den Personen gehen, die an vorderster Front gegen das Virus kämpfen?
«Anstrengender und unbefriedigender»
Laura H.* (32) arbeitet in der Corona-Abteilung einer Berner Klinik. Gegenüber Nau.ch sagt sie: Ihr Job und der damit verbundene Stress sind seit der Pandemie nur bedingt strenger geworden. «Es war schon vor dem Coronavirus kein Ponyhof.»
Aber: «Durch den möglichst reduzierten Körperkontakt mit Patienten ist die Ausübung meines Berufes eher unbefriedigender und dadurch anstrengender geworden.»
Laut H. sind viele ihrer Kolleginnen und Kollegen am Anschlag und das, obwohl die Covid-Abteilung nicht überlastet ist. Ein Lächeln einer dankbaren Person oder die Hand einer Patientin zu halten – all die Dinge, die den schweren Job ertragbarer machten, fallen nun weg.
Mindestlohn wird nicht eingehalten
Dazu kommt die ewige Lohndiskussion zwischen Spitälern und Pflegepersonal, die seit Beginn der Pandemie auch in den Medien stattfindet.
Ihr Lohn war jedoch schon vor der Pandemie nicht angemessen, meint die 32-Jährige. Die alleinerziehende Mutter arbeitet momentan massiv unter dem Mindestlohn, der vom Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) empfohlen wird.
Mit ihrer Ausbildung Diplomierte Pflegefachfrau HF sollte H. einen Monatslohn von mindestens 5040 Franken bei 80 Stellenprozent erhalten. Nach langem Kampf einigte sie sich mit dem Spital auf einen Lohn von 4680 im Monat. Mitsamt allen Abzügen – Kinderkrippe, AHV und mehr – bleiben ihr davon rund 3500 Franken. Das muss für Wohnung, Kind und Essen und Versicherung reichen …
«Ich habe null Ersparnisse»
In den Ferien war sie seit drei Jahren nicht mehr. Mit dem Vater ihres Kindes hat sie keinen Kontakt, er sei finanziell auch nicht in der Lage, Alimente zu zahlen. Am Ende des Monates wird das Geld meistens knapp. «Ich habe null Ersparnisse», so Laura.
Nicht nur Laura geht es so. Eine OECD-Studie vergleicht den an Pflegefachkräfte durchschnittlich bezahlten Lohn mit dem Durchschnittslohn im jeweiligen Land. Die Schweiz belegt international den drittletzten Platz.
Manchmal wünscht sie sich, in einem leichteren Beruf zu arbeiten. «Selbst wenn ich freihabe, bin ich dermassen erschöpft, dass ich das Gefühl habe, ich werde meinem Kind nicht gerecht. Dabei arbeite ich nur so viel, um eine bessere Zukunft für uns beide zu schaffen.»
«Applaudieren reicht nicht»
Ihr Appell an die Bevölkerung und Arbeitgeber: «Applaudieren reicht definitiv nicht. Es braucht bessere Arbeitsbedingungen, eine faire Entschädigung», so Laura.
Und weiter: «Es kann einfach nicht sein, dass man in unserem Beruf – wo man täglich mit kranken bedürftigen Menschen zu tun hat und einem höheren Risiko ausgesetzt ist – weniger verdient als jemand, der den ganzen Tag im Homeoffice sitzt.»
*Aus Gründen des Personenschutzes wird nicht der volle Name erwähnt. Namen der Redaktion bekannt.