OECD-Studie: Weniger Flüchtlinge, mehr Arbeitsmigranten
Die Zuwanderung in die Industrieländer ändert sich: Immer weniger Menschen suchen dort Asyl, immer mehr nur Arbeit. Deutschland profitiert davon - auch wegen einer Sonderregelung für bestimmte Herkunftsländer.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer weniger Menschen fliehen nach Deutschland - und immer mehr kommen, um hier zu arbeiten.
Das geht aus einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, die heute in Berlin und Paris vorgestellt wurde.
Demnach ist Deutschland im Vergleich der OECD-Staaten nach den USA nach wie vor das zweitbeliebteste Zuwanderungsland. Die Zahl der Erstanträge auf Asyl ging laut der Studie 2018 in Deutschland um 18,3 Prozent auf 162.000 Anträge zurück. In allen 36 Mitgliedsstaaten der OECD wurden im vergangenen Jahr 1,07 Millionen Erstanträge gestellt, das waren 35 Prozent weniger als in den Rekordjahren 2015 und 2016 (je 1,65 Millionen Erstanträge). Das sei ein «sehr niedriger Stand», sagte OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig. Die OECD rechne aber damit, dass es in den kommenden Jahren erneut zu einem grossen Zuzug von Asylsuchenden kommen könnte. «Wir wissen nur nicht, wann».
Insgesamt zog die Migration in den OECD-Staaten 2018 nach zwei Jahren des Rückgangs wieder leicht um zwei Prozent an. Laut der Studie wanderten 5,3 Millionen Menschen im Jahr 2018 dauerhaft in OECD-Staaten ein. Die Experten beobachten, dass Änderungen in der Asylpolitik in den OECD-Staaten darauf abzielen, dass Asylverfahren beschleunigt und Aufnahmezentren besser genutzt werden. In der EU sei die Zahl der Erstanträge 2018 auf das Niveau von 2014 zurückgegangen. Die EU-Kommission hatte am Dienstag jedoch von einem deutlich Anstieg im Juli dieses Jahres berichtet.
Die Chancen von Zuwanderern, in Deutschland einen Job zu finden, sind dabei sehr gut: Ende 2018 hatten erstmals 70 Prozent der Zuwanderer in Deutschland Arbeit. Die Qualität der Jobs sei allerdings bescheiden, viele Zuwanderer würden schlecht bezahlt und seien überqualifiziert. Eine Veränderung beobachtet die OECD auch bei den Staaten, aus denen die Arbeitsmigranten auswandern.
So kommen immer weniger Menschen zum Arbeiten aus Osteuropa nach Deutschland - Polen etwa entwickelt sich immer mehr vom Herkunfts- zum Zielland für Arbeitsmigranten. Stattdessen suchen immer häufiger Menschen aus dem Westbalkan Arbeit in Deutschland. Das sei ein Erfolg der sogenannten Westbalkan-Regelung, sagte Liebig.
Aus den besagten Ländern Serbien, Montenegro, Kosovo, Albanien, Bosnien und Nordmazedonien hatten bis 2015 viele Menschen versucht, per Asylantrag nach Deutschland zu kommen. Die meisten dieser Anträge wurden allerdings abgelehnt. Um die Behörden zu entlasten, erklärte Deutschland die Länder zwischen 2014 und 2015 nach und nach zu sicheren Herkunftsländern - schuf Ende 2015 aber eine bis Ende 2020 befristete Sonderregelung, die auch gering qualifizierten Jobsuchenden aus diesen Staaten die Aussicht auf ein Visum eröffnet. Dieses Modell könne ein Vorbild für andere OECD-Staaten sein, sagte Liebig.
Neben den bereits arbeitenden Menschen kommen auch immer mehr internationale Studenten nach Deutschland. So löste die Bundesrepublik 2017/2018 Frankreich erstmals als wichtigstes nicht englischsprachiges Empfangsland für internationale Studenten ab.
Für das Jahr 2017, für das nun endgültige Zahlen vorliegen, sehen die Experten OECD-weit Familienangehörige als grösste Gruppe an Zuwanderern. Gestiegen ist die Zahl der Migranten, die für einen begrenzten Zeitraum zum Arbeiten in eines der OECD-Länder eingewandert sind (plus 11 Prozent). Top-Destination war dabei Polen.