Offenes Feld für die Nachfolge von Liz Truss
Das Wichtigste in Kürze
- Grossbritannien sucht nach 45 Tagen erneut einen Premierminister.
- Die Kandidaten sind meist alte Bekannte, das Feld aber noch relativ offen.
- Boris Johnson darf sich nur zwei Monate nach seiner Abwahl erneut Chancen ausrechnen.
Grossbritannien braucht nach nur 45 Tagen bereits wieder einen neuen Premierminister. Liz Truss hatte gestern ihren Rücktritt verkündet. Die konservativen Torys wollen jetzt innert einer Woche einen Nachfolger finden. Die Favoriten sind fast ausschliesslich bekannte Namen, denen man noch vor zwei Monaten Truss vorgezogen hatte.
Rishi Sunak
Der ehemalige Finanzminister unterlag Truss in der eigenen Partei deutlich. Allerdings warnte er auch lautstark vor Truss' radikalem Wirtschaftsprogramm, mit welchen sie damals die Tories überzeugte. Dass er durch die Marktturbulenzen jetzt Recht bekommen hat, kommt ihm stark zugute.
Einige Tory-Mitglieder haben aber noch nicht vergessen, dass er bei der Kabinettsrevolte gegen Boris Johnson eine entscheidende Rolle gespielt hat. Dazu gibt es offene Fragen zu seinem Privatvermögen und Steuertricks seiner Familie.
Jeremy Hunt
Finanzminister Jeremy Hunt könnte als kompetenter Kompromiss gute Chancen auf Truss' Nachfolge haben. Er geniesst in der eigenen Partei vor allem beim zentristischen Flügel grosse Unterstützung. Ausserdem galt er bei der Versenkung der Steuerpläne als Strippenzieher.
Der 55-Jährige hatte bereits mehrere hohe politische Ämter inne. Allerdings hatte er schon 2019 und 2022 für den Parteivorsitz kandidiert und war unterlegen. Britische Medien beschreiben ihn als wenig charismatisch, dafür sehr belastbar.
Boris Johnson
Und dann ist da noch Boris Johnson. Der erst im September abgetretene Premier soll bereits jetzt wieder die besten Chancen auf die nötigen 100 Stimmen für eine Kandidatur haben. Allerdings spaltet «BoJo» seine Fraktion: Mehrere Mitglieder drohten heute Morgen mit dem Parteiaustritt, sollte man ihn wirklich wieder an die Downing Street befördern.
Johnson hatte sein Amt vor sechs Wochen nach mehreren Skandalen und unter heftigem Druck seiner Fraktion niedergelegt. Wegen der Partygate-Affäre läuft im Parlament auch noch eine Untersuchung gegen ihn.
Auch Braverman und Mordaunt mit Chancen
Innenministerin Suela Braverman verliess Truss' sinkendes Schiff am Mittwoch frühzeitig und beschleunigte so den Vorgang. Die 42-Jährige politisiert am rechten Parteiflügel, insbesondere mit Migrationsthemen. Auch sie unterlag Truss noch im Sommer.
Dazu könnte die Ex-Verteidigungsministerin und jetzige Präsidentin des britischen Unterhauses Penny Mordaunt eine Kompromisskandidatin sein. Die Brexit-Befürworterin gilt als gute Verhandlerin und wird darum von einigen gar als Favoritin gehandelt.