Messerattacke vor «Charlie-Hebdo»-Gebäude erschüttert Paris
Das Wichtigste in Kürze
- Sirenen, abgesperrte Strassen, laute Rufe von Polizisten: In Paris geht nach monatelanger Pause wieder die Angst vor dem Terror um.
Vor dem Gebäude, in dem das Satiremagazin «Charlie Hebdo» einst seine Redaktionsräume hatte, sind am Freitag zwei Journalisten bei einer Messerattacke verletzt worden. Die Anti-Terror-Fahnder übernahmen die Ermittlungen. Die Polizei nahm zwei Verdächtige fest. Innenminister Gérald Darmanin sprach am Abend von einem «islamistischen Terrorakt».
Der Vorfall ereignete sich gegen 12 Uhr mittags in der Rue Nicolas Appert. Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Produktionsfirma Premières Lignes, die unter anderem für den Sender France 2 arbeitet, sind bei dem Angriff verletzt worden. Sie sollen gerade eine Raucherpause gemacht haben. Die Opfer sind nach Angaben von Premierminister Jean Castex nicht in Lebensgefahr. Die Redaktion von «Charlie Hebdo» ist mittlerweile umgezogen - in den damaligen Redaktionsräumen wurden im Januar 2015 elf Menschen brutal ermordet.
Zwei Verdächtige konnten kurze Zeit später in der Nähe des Tatorts festgenommen werden. Einer von ihnen soll laut Staatsanwaltschaft der Haupttäter sein. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge handelt es sich dabei um einen 18-Jährigen, der in Pakistan geboren wurde. Bei dem zweiten Verdächtigen soll es sich um einen 33-Jährigen handeln. Von der Staatsanwaltschaft gab es dazu keine Angaben.
Die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete ausserdem unter Berufung auf Justizkreise von fünf weiteren Festnahmen. Die Männer seien bei der Durchsuchung einer Wohnung in Pantin nordöstlich von Paris festgenommen worden. Damit befinden sich nun sieben Verdächtige in Polizeigewahrsam.
Frankreich wird seit Jahren von islamistischen Anschlägen erschüttert - dabei starben mehr als 250 Menschen. Daher ist die Terrorgefahr fast ständig im Bewusstsein der Menschen. Doch zur Zeit kämpft das Land gegen einen anderen Dämon: Das Coronavirus. Jeden Tag gibt es Tausende Neuinfektionen, die Lage verschlechtert sich zusehends. Auch wenn das die Angst vor dem Terror etwas in den Hintergrund hat rücken lassen - rund sieben Kilometer vom Tatort entfernt erinnert beinahe täglich etwas an die Gefahr.
Dort läuft seit Anfang des Monats im Justizpalast der Prozess gegen mutmassliche Helfer der Terrorserie im Januar 2015, bei der insgesamt 17 Menschen getötet wurden. Nur unter hohen Sicherheitsbedingen kann man den Glaspalast überhaupt betreten. Als der Prozess begann, veröffentlichte «Charlie Hebdo» erneut Mohammed-Karikaturen - und die Redaktion wurde wieder bedroht. In einem offenen Brief stellten sich rund hundert französische Medien hinter das Satiremagazin - und forderten die Menschen im Land auf, sich für Meinungsfreiheit stark zu machen.
Premierminister Castex eilte am Freitagnachmittag zum Tatort im elften Pariser Arrondissement. Er sprach von einem «symbolischen Ort». «Ich möchte meine Solidarität mit den Familien der Opfer und allen Kollegen dieser beiden Journalisten zum Ausdruck bringen», sagte er. Er bekräftigte seine «feste Entschlossenheit», den Terrorismus mit allen Mitteln zu bekämpfen. Auch die Redaktion von «Charlie Hebdo» reagierte: «Das gesamte Team von Charlie unterstützt seine ehemaligen Nachbarn und Kollegen und ist solidarisch mit ihnen.»
Tausende Schülerinnen und Schüler mussten nach dem Angriff am Freitag über Stunden als Vorsichtsmassnahme in den Schulen ausharren. Eltern konnte ihre Kleinsten nicht aus der Krippe abholen. Wieder einmal war in Paris ein ganzes Viertel Sperrgebiet - schwer bewaffnete Sicherheitskräfte riegelten das gesamte Gebiet im Pariser Osten rund um den Tatort ab, in den Strassen standen zahlreiche Einsatzfahrzeuge. «Merde, merde», fluchte eine alte Dame, die nicht nach Hause kam.
Die Behörden schätzen die Terrorgefahr im Land weiterhin als sehr hoch ein. Dem Kampf gegen den Terrorismus hat Präsident Emmanuel Macron immer höchste Priorität eingeräumt. Im April hatte ein Mann zwei Menschen in Romans-sur-Isère nahe Valence getötet. Im August fielen sechs Franzosen im Niger einem tödlichen Anschlag zum Opfer - die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte die Verantwortung für die Tat übernommen.
Und Frankreich kämpft nicht nur im eigenen Land gegen den Terror: Als ehemalige Kolonialmacht ist Frankreich in Westafrika massiv im Einsatz gegen Islamistenmilizen. Der Anti-Terror-Einsatz «Barkhane» war erst im Februar auf rund 5100 Soldaten aufgestockt worden.
EU-Ratschef Charles Michel betonte, dass der Terror auf europäischem Boden keinen Platz habe. «Alle meine Gedanken sind bei den Opfern dieser feigen Gewalttat», schrieb der Belgier auf Twitter. Italiens Regierungschef Giuseppe Conte bezeichnete die Tat in dem sozialen Netzwerk ebenfalls als «feigen Angriff». Italien stehe an der Seite derer, die alle Formen der Gewalt bekämpften.