Prigoschins Tod gibt weiter Rätsel auf - Die Nacht im Überblick
Auch eineinhalb Tage nach dem Flugzeugabsturz besteht keine Gewissheit über den Tod von Prigoschin. Putin spricht in der Vergangenheitsform vom Wagner-Boss.
Zwei Tage nach dem mutmasslichen Tod des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz herrscht noch immer keine Klarheit über die Umstände.
Russlands Präsident Wladimir Putin bestätigte am Donnerstagabend nur indirekt den Tod seines einstigen Günstlings, der als Chef der Privatarmee Wagner zwei Monate zuvor gegen ihn gemeutert hatte. Allerdings geht auch die US-Regierung nach Medienberichten davon aus, dass Prigoschin bei dem Absturz am Mittwochabend ums Leben kam.
Auch Norwegen will F-16-Jets zur Verfügung stellen
Die USA kündigten unterdessen an, im September mit der Ausbildung ukrainischer Piloten auf dem Kampfjet F-16 zu beginnen. Um dieses Flugzeug hatte Kiew lange gebeten, nun soll es die ukrainische Luftwaffe endlich bekommen – nach den Niederlanden und Dänemark kündigte am Donnerstag auch Norwegen an, F-16-Jets zur Verfügung zu stellen.
Präsident Wladimir Putin hatte seine Armee am 24. Februar 2022 in das Nachbarland einmarschieren lassen. Anderthalb Jahre später wurde am Donnerstag der Unabhängigkeitstag der Ukraine gefeiert, zu dem Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Glückwunsch-Anruf seines wohl wichtigsten Unterstützers bekam. US-Präsident Joe Biden versprach ihm nach Angaben des Weissen Hauses, die Verteidigungsbemühungen der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland so lange wie nötig zu unterstützen. Derweil wurde über Odessa und der russisch besetzten Schwarzmeer-Halbinsel Krim in der Nacht zu Freitag Luftalarm ausgelöst.
Putin spricht in Vergangenheitsform von Prigoschin
Eine offizielle Identifizierung der Leiche Prigoschins durch die russischen Behörden stand bis Freitag noch aus. Putin sprach indes schon in der Vergangenheitsform von dem «talentierten Geschäftsmann» und Söldnerführer. «Er war ein Mensch mit einem schwierigen Schicksal, und er hat ernsthafte Fehler gemacht», sagte er. Während der Meuterei der Wagner-Kämpfer gegen die russische Führung im Juni hatte Putin seinem langjährigen militärischen Handlanger Prigoschin Verrat vorgeworfen, ihm und seinen Gefolgsleuten dann aber die Ausreise nach Belarus ermöglicht.
Bei dem Flugzeugabsturz kamen zehn Menschen ums Leben. An Prigoschins Firmensitz in St. Petersburg und in anderen russischen Städten legten Trauernde Blumen nieder. Prigoschin und seine Wagner-Truppe hatten zwar wegen ihrer verdeckten Auslandseinsätze und wegen ihrer Brutalität auch im Inland keinen guten Ruf. Doch seine Kritik an Fehlern der russischen Militärführung machte ihn für viele Russen auch zu einem Helden. In sozialen Medien wurde der Vorwurf erhoben, das vermeintliche Flugzeugunglück sei in Wahrheit ein Attentat auf Prigoschin gewesen – eine Einschätzung, die auch viele westliche Politiker und Militärexperten vertreten.
Auch USA vermuten Attentat
Die «New York Times» und andere US-Medien berichteten unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, dass vermutlich eine Explosion an Bord des Flugzeugs den Absturz ausgelöst habe. Eine endgültige Schlussfolgerung sei noch nicht gezogen, eine Explosion aber derzeit die wahrscheinlichste Begründung, schrieb die «New York Times». Ein Sprecher des US-Verteidigungsministerium sagte, es gebe keine Hinweise, dass der Jet von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden sei. Dies hatten Prigoschin nahestehende Webseiten und Kanäle in sozialen Medien gemutmasst.
Selenskyj: Die Welt braucht unsere Offensive
Der Erfolg der ukrainischen Gegenoffensive sei bedeutend für die gesamte Welt, sagte Präsident Selenskyj bei einem Treffen mit dem norwegischen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre in Kiew. «Denn die Ukraine kämpft für unsere gemeinsamen Werte. Ich wünsche mir, dass alle Welt das endlich begreift.» Der Erfolg der Vorstösse im Süden hänge indes an vielen Faktoren, unter anderem an der hohen Minendichte in den russisch besetzten Gebieten. «Tausende von Minen, alles ist vermint, aber die Soldaten kommen voran.»
Die Gegenoffensive der Ukrainer ist bislang hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben. Medien in den USA zitieren Kritik von Experten am Einsatz der ukrainischen Truppen. Der Oberkommandierende Walerij Saluschnyj wies dies laut einem Bericht des «Wall Street Journal» zurück. Seine Truppen stünden kurz vor einem Durchbruch, behauptete er demnach.
Ukrainische Truppen wehrten nach Militärangaben an mehreren Frontabschnitten russische Angriffe ab. Der abendliche Lagebericht des Generalstabs in Kiew nannte die Abschnitte Kupjansk im Osten des Landes und Awdijiwka nördlich der von Russland kontrollierten Stadt Donezk. Bei Marjinka südwestlich von Donezk seien die Russen in der Offensive; es sei aber gelungen, sie zurückzuhalten. Die eigene Gegenoffensive bei Robotyne im Gebiet Saporischschja laufe weiter, man baue die erreichten Positionen aus. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar.
Am Freitagmorgen hiess es dann aus Moskau, die ukrainische Luftwaffe habe in der Nacht einen grossangelegten Drohnenangriff gewagt. Die Luftabwehr habe 42 Flugroboter über der Krim entdeckt, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Auf neun der unbemannten Flugkörper sei geschossen worden, bei 33 das Steuerungssystem gestört worden, so dass die Drohnen vor dem Erreichen ihres Ziels abgestürzt seien.
USA steigen in Ausbildung der Ukraine auf F-16 ein
Das US-Militär will ukrainische Piloten in den USA an Kampfjets vom Typ F-16 ausbilden, wie Pentagon-Sprecher Pat Ryder ankündigte. Im September solle zunächst ein Englisch-Training beginnen, im Oktober dann das Flugtraining. Die US-Regierung will damit einen weiteren Trainingsort einrichten neben den Ausbildungsstätten bei europäischen Partnerländern. Die Ukraine hatte ihre internationalen Partner monatelang um westliche Kampfjets gebeten, um die russische Invasion besser abwehren zu können.
Solidarität mit der angegriffenen Ukraine
Zum Unabhängigkeitstag der Ukraine bekundeten am Donnerstag in Berlin zahlreiche Menschen ihre Unterstützung für das angegriffene Land. Bei einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor waren blau-gelbe Flaggen zu sehen. Ukrainerinnen und Ukrainer forderten weitere militärische und humanitäre Hilfe im Kampf gegen die russischen Angreifer. Mit mehreren Aktionen in Berlins Mitte – teils nicht weit entfernt von der russischen Botschaft – gedachten die Menschen der Opfer des Krieges.
Das wird am Freitag wichtig
Die ukrainischen Truppen setzen ihre Vorstösse im Süden bei Robotyne fort. In Russland werden weitere Informationen zum wahrscheinlichen Tod des Söldnerführers Prigoschin erwartet.