Verwaltungsgericht urteilt nächste Woche zum Kükentöten
Das Wichtigste in Kürze
- Das millionenfache Töten männlicher Küken in der Legehennenzucht soll beendet werden - darüber sind sich Politik und Geflügelwirtschaft einig.
Eine praxistaugliche Alternative gibt es aber bis heute nicht flächendeckend. Deswegen ist jetzt die Justiz am Zug. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat darüber verhandelt, ob das Vergasen männlicher Küken mit dem Tierschutzgesetz vereinbar ist.
Ausführlich wandten sich die Richter der Frage zu, ob es einen «vernünftigen Grund» für das Töten gibt. Eine klare Tendenz liessen sie nicht erkennen. Das Urteil soll am kommenden Donnerstag (23. Mai) fallen. (Az.: BVerwG 3 C 28.16 und 3 C 29.16)
Konkret geht es um die Klagen von zwei Brütereien aus Nordrhein-Westfalen. Das damals rot-grün regierte Land hatte die umstrittene Praxis 2013 per Erlass stoppen wollen. Sie verstosse gegen das im Tierschutzgesetz verankerte Verbot, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Die Brutbetriebe aus dem Kreisen Gütersloh und Paderborn klagten dagegen - und bekamen in den Vorinstanzen Recht.
Jährlich werden in den 25 deutschen Brutbetrieben nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums rund 45 Millionen männliche Küken nach dem Schlüpfen getötet. Sie werden für die Legehennenzucht nicht benötigt. Weil die Rassen darauf getrimmt sind, viele Eier zu legen, aber wenig Fleisch ansetzen, taugen sie nicht für die Mast. Eine Aufzucht der männlichen Küken ist aus Sicht der Geflügelbranche somit unwirtschaftlich. Sie werden getötet.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hatte in der Vorinstanz entschieden, dass die Praxis nicht gegen das Tierschutzgesetz verstosse. Das menschliche Interesse an der Legehennenzucht wiege schwerer als das Interesse der Tiere an ihrer Unversehrtheit. Die wirtschaftlichen Zwänge der Legehennenzüchter stufte das OVG als «vernünftigen Grund» im Sinne des Tierschutzgesetzes ein.
«Wir sind hier auf einem schwierigen Feld», sagte die Vorsitzende Richterin Renate Philipp in Leipzig in der mündlichen Verhandlung. Die Bundesrichter warfen eine ganze Reihe von Fragen auf, über die sie entscheiden müssen. Wie kann man die Belange des Tierschutzes und die Interessen der Züchter sinnvoll miteinander abwägen? War es zulässig, Brütereien in Nordrhein-Westfalen das Kükentöten zu verbieten, während andere Bundesländer nicht gegen die Praxis vorgehen? Wie kann die Geflügelbranche zu anderen Verfahren kommen?
An Alternativen ist seit langem geforscht worden. Die Bundesregierung hat die Forschung mit Millionenaufwand unterstützt. Inzwischen gibt es Methoden, um das Geschlecht der Küken schon vor dem Schlüpfen im Hühnerei zu bestimmen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) setzt darauf, dass die Geschlechtsbestimmung im Hühnerei 2020 überall angewandt wird. Dann gäbe es keinen «vernünftigen Grund» mehr für das Kükentöten und es wäre gemäss Tierschutzgesetz verboten.
Der Anwalt der Brutbetriebe, Martin Beckmann, sagte im Gericht: «Es gibt keinen, der sagt: "Das machen wir einfach so weiter."» Ein sofortiges Verbot des Kükentötens in Deutschland helfe aber dem Tierschutz nicht weiter. Die Brütereien, die er vertrete, müssten dann einfach aufgeben. Im Ausland laufe das Kükentöten dagegen weiter.