Reise-Veranstalter ziehen Notbremse
Grenzen sind weitgehend dicht. Touristikkonzerne greifen zu drastischen Massnahmen, Airlines schränken ihr Angebot weiter ein. Reisen in Zeiten der Coronavirus-Krise wird immer schwieriger - auch im Inland.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Coronavirus-Krise trifft Reisende und die Tourismusbranche mit voller Wucht.
Mehrere Veranstalter, darunter Branchenprimus Tui, sagten Reisen ab, einige Fluggesellschaften stellen vorerst den Betrieb ein, und Ferieninseln in Deutschland sind nun für Touristen gesperrt.
Die Bundesregierung geht zudem davon aus, dass mehrere Tausend Deutsche im Ausland festsitzen.
Zu drastischen Massnahmen griffen Tui und Co. Der weltgrösste Touristikkonzern Tui sagte bis auf weiteres Pauschalreisen, Kreuzfahrten und den Hotelbetrieb ab. Tui Deutschland setzte das Reiseprogramm bis einschliesslich 27. März aus. «Im Moment befinden wir uns alle in einer nie da gewesenen Ausnahmesituation. Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, alle Urlauber wieder zuverlässig nach Hause zu bringen», sagte Marek Andryszak, Vorsitzender der Tui Deutschland Geschäftsführung. Viele Rückflüge würden regulär durchgeführt.
Kunden, die bereits Reisen etwa für die Sommermonate gebucht haben, müssen sich vorerst gedulden - eine kostenfreie Stornierung sei derzeit nicht möglich, sagte ein Tui-Sprecher. Man gehe aber davon aus, den Betrieb in einigen Wochen wieder starten zu können.
Der Konzern aus Hannover will ausserdem einen Sparkurs wegen der wirtschaftlichen Schäden durch die Ausbreitung des Covid-19-Erregers einschlagen und beim Bund Staatshilfen als Überbrückung beantragen. An der Börse brach die Tui-Aktie um zeitweise mehr als ein Drittel ein. Die FTI Group sagte alle Reisen bis Ende März ab und beantragte Staatsgarantien. Studiosus streicht alle Termine bis Ende März. Bei Wikinger Reisen gilt der Stopp bis Ende April 2020.
Nach Auslandsreisen trifft es jetzt auch beliebte Ferienregionen im Inland. Alle norddeutschen Küstenländer sperrten am Montag ihre Inseln in der Nord- und Ostsee für Touristen. Dazu gehören Sylt, Amrum, Föhr, Fehmarn und Nordstrand. In Mecklenburg-Vorpommern sollen die Massnahmen auf Rügen, Usedom, Hiddensee und Poel wegen der Grösse der Inseln und der zahlreichen direkten Verbindungen aufs Festland schrittweise eingeführt werden.
Die Landesregierung von Baden-Württemberg will den Betrieb an allen Flughäfen in dem Bundesland einstellen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen in Stuttgart. Reisende aus dem Ausland würden noch zurückgeholt. Wer aus einer Krisenregion komme, müsse in Quarantäne. Der Beschluss soll demnach im Lauf der Woche in Kraft treten.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will grosse deutsche Flughäfen wie Frankfurt und München aber offen halten. «Wir arbeiten daran, die Infrastruktur aufrecht zu halten, vor allem wegen Versorgung und Logistik», sagte Scheuer der dpa. «Ich stehe in dieser Frage in enger Abstimmung mit den Ländern und den Flughafenbetreibern.»
Am grössten deutschen Airport in Frankfurt läuft der Betrieb deutlich eingeschränkt. Für Montag waren noch rund 1000 Starts und Landungen geplant, wie ein Sprecher des Betreibers Fraport berichtete. Das wären nur rund 400 weniger als im Normalbetrieb. Allerdings sind die Flugzeuge deutlich leerer als sonst, denn statt 170.000 Passagieren wie üblich werden aktuell nur rund 90.000 erwartet.
Grund für den Sparbetrieb sind immer neue Einreisebeschränkungen in verschiedenen Ländern und Flugabsagen der Gesellschaften wegen schlechter Auslastung. So streicht Europas grösster Billigflieger Ryanair sein Flugprogramm um bis zu 80 Prozent zusammen. Die österreichische Tochter Lauda stellt den Flugbetrieb von Mitternacht an bis 8. April ein.
Die Lufthansa, die in Frankfurt für mehr als zwei Drittel aller Flugbewegungen steht, streicht ihr Angebot weiter zusammen. Demnach soll nur noch jeder zehnte geplante Fernflug stattfinden und ungefähr jede fünfte Nah- und Mittelstreckenverbindung. Ursprünglich hatte das Unternehmen im Sommerflugplan rund 26.000 Flüge in der Woche geplant. Die Tochter Austrian Airlines (AUA) will ihren regulären Flugbetrieb an diesem Donnerstag (19. März) bis 28. März einstellen. Auch der Ferienflieger Condor streicht sein Angebot in wichtige Ferienziele wie die USA, Karibik und Türkei zusammen. Das Unternehmen schickt in diesen Tagen noch Flugzeuge in die Zielgebiete, um Urlauber zurückzuholen. «In die Türkei fliegen wir leer hin, um die Menschen nach Hause zu holen», sagte eine Condor-Sprecherin.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes haben Bundesbürger vor allem in der Türkei, Marokko, Indonesien und den Philippinen Schwierigkeiten, nach Deutschland zurückzukehren. Man sei mit Fluggesellschaften und Reiseveranstaltern im intensiven Gespräch, «um möglichst pragmatische und möglichst schnelle Lösungen» für eine Ausreise zu finden, sagte eine Sprecherin.
In den vergangenen Tagen hatten immer mehr Länder Flugverbindungen gekappt und Grenzen weitgehend geschlossen. Deswegen rät das Auswärtige Amt seit Sonntag grundsätzlich von Reisen ins Ausland ab - ein beispielloser Vorgang. «Das Risiko, dass Sie Ihre Rückreise aufgrund der zunehmenden Einschränkungen nicht mehr antreten können, ist in vielen Destinationen derzeit hoch», schrieb Aussenminister Heiko Maas (SPD) dazu auf Twitter.
Die Coronavirus-Krise wird nach Einschätzung von Branchenexperten zu einer riesigen Pleitewelle in der internationalen Luftverkehrswirtschaft führen. Ende Mai dürften die meisten Airlines der Welt zahlungsunfähig sein, schrieb die Beratungsgesellschaft Capa. Überleben werden nach Einschätzung der Analysten die grossen Gesellschaften, die auf Unterstützung ihrer Heimatstaaten rechnen können. Neben den grossen Anbietern aus China und den USA dürften das einige wenige Gesellschaften aus Europa sowie die Airlines vom Arabischen Golf sein.
Der britische Billigflieger Easyjet rief Europas Regierungen auf, die Branche mit Finanzhilfen zu unterstützen. «Europas Luftfahrtbranche steht vor einer unsicheren Zukunft», sagte Easyjet-Chef Johan Lundgren. Es brauche eine koordinierte Unterstützung durch die europäischen Regierungen, damit die Branche überlebe und nach dem Ende der Krise ihren Betrieb fortsetzen könne.