Selenskyj tritt bei G7 und Nato auf – Die Nacht im Überblick
Wolodymyr Selenskyj steht mit vielen ausländischen Regierungen im Kontakt, Scholz, Macron und Draghi werden erwartet. In Luhansk steht die Ukraine unter Druck.
Das Wichtigste in Kürze
- Wolodymyr Selenskyj nimmt an den G7- und Nato-Gipfeln teil, wie ist noch unklar.
- Russland verringert die Gasmenge, die nach Deutschland geliefert wird.
Wolodymyr Selenskyj wird die Interessen seines kriegsgeplagten Landes bei den Gipfeln von G7 und Nato Ende Juni vertreten. Er habe dankbar die Einladungen zu den Spitzentreffen angenommen, teilte Selenskyj am Mittwochabend auf Twitter mit. Unklar blieb zunächst, ob der ukrainische Staatschef dafür sein Land verlassen wird oder wie bei anderen Treffen per Video zugeschaltet wird. Selenskyj sah insgesamt grosse Fortschritte bei der internationalen Unterstützung für sein Land, wie er in seiner abendlichen Videoansprache sagte.
Die militärische Lage – vor allem in der Ostukraine – blieb dagegen äusserst gespannt. «Der erbitterte Kampf um das Gebiet Luhansk geht weiter», teilte der ukrainische Oberkommandierende Walerij Saluschnyj mit. Die russischen Truppen griffen dort aus neun Richtungen zugleich an, schrieb er auf Facebook. Die EU-Kommission will am Donnerstag in Brüssel ihre Empfehlung abgeben, ob die Ukraine den erhofften Status als Beitrittskandidatin erhält.
Viele internationale Kontakte der Ukraine
Selenskyj listete in seinem abendlichen Video alle internationalen Kontakte vom Mittwoch auf: Telefonate mit US-Präsident Joe Biden und dem britischen Premierminister Boris Johnson, ein Treffen mit den Regierungschefs aus Albanien und Montenegro, Edi Rama und Dritan Abazovic. Von dem Treffen der US-geführten Ukraine-Kontaktgruppe am Mittwoch in Brüssel gehe das Signal aus, dass Waffenlieferungen verstetigt werden, sagte Selenskyj.
Biden kündigte nach dem Telefonat mit Selenskyj weitere Waffenlieferungen im Umfang von einer Milliarde US-Dollar an. Ausserdem stellten die USA weitere 225 Millionen US-Dollar (rund 217 Millionen Euro) an humanitärer Unterstützung für das Land bereit.
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte die Lieferung von drei Mehrfachraketenwerfern vom Typ Mars II zu. Dies ist allerdings ein System weniger als erwartet. Anfang Juni hatte es am Rande einer Generaldebatte im Bundestag noch aus Regierungskreisen geheissen, Deutschland werde vier Mehrfachraketenwerfer liefern.
Nato-Gipfel im Zeichen der Stärkung der Ostflanke
Selenskyj sagte, zur Gruppe der sieben führenden westlichen Industrienationen habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ihn eingeladen. Die Einladung zur Nato komme von Generalsekretär Jens Stoltenberg. Das G7-Treffen soll vom 26. bis 28. Juni in dem alpinen Luxushotel Schloss Elmau in Bayern stattfinden. Zu den G7 gehören neben den USA und Deutschland noch Japan, Grossbritannien, Frankreich, Italien und Kanada, ausserdem ist die EU bei allen Treffen vertreten.
Direkt im Anschluss beginnt in der spanischen Hauptstadt Madrid der Nato-Gipfel, bei dem es vor allem um die Stärkung der Ostflanke gegen Russland geht. Stoltenberg sagte zur Frage, ob Selenskyj nach Madrid kommen werde: «Er ist willkommen, persönlich zu kommen. Wenn das für ihn nicht möglich ist, wird er per Videokonferenz zu uns sprechen.»
Zu den engen internationalen Kontakten der Ukraine würde auch ein erwarteter Besuch von Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi passen. Eine Ankündigung der Reise vor dem Antritt ist aber nicht zu erwarten. Viele andere Besuch in Kiew unter Kriegsbedingungen war dies auch nicht der Fall.
Kämpfe um das Gebiet Luhansk
«Um unsere Truppen zu vertreiben, setzt der Feind Flugzeuge, Mehrfach-Raketenwerfer und Artillerie ein», schrieb der Oberkommandierende Saluschnyj über die Kämpfe im Osten. Der Schlüssel der ukrainischen Verteidigungsoperation sei die seit Tagen umkämpfte Stadt Sjewjerodonezk.
Die Grossstadt als Sitz der ukrainischen Verwaltung im Gebiet Luhansk ist bereits zu grossen Teilen in russischen Händen. Für die Ukraine wäre die Aufgabe der Stadt eine bedeutende symbolische Niederlage. Für Russland wiederum ist die vollständige Eroberung des Gebietes Luhansk ein wichtiges Kriegsziel.
Noch weniger russisches Gas für Deutschland
Der russische Energiekonzern Gazprom hat die Gasliefermengen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland erneut reduziert. Von der Nacht zu Donnerstag an sollten täglich nur noch maximal 67 Millionen Kubikmeter durch die Leitung gepumpt werden, kündigte Gazprom an. Erneut begründete das Staatsunternehmen diesen Schritt mit Verzögerungen bei Reparaturarbeiten.
Schon am Dienstag hatte Gazprom die Reduktion des Tagesvolumens von 167 Millionen um rund 40 Prozent auf 100 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag verkündet und auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gasverdichtern verwiesen.
Nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will Russland mit den Lieferkürzungen Unruhe stiften. «Die Begründung der russischen Seite ist schlicht vorgeschoben. Es ist offenkundig die Strategie, zu verunsichern und die Preise hochzutreiben», hatte der Grünen-Politiker gesagt. Aktuell könnten die Mengen am Markt beschafft werden, wenn auch zu hohen Preisen. Es werde aktuell noch eingespeichert: «Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet.»
Das wird heute wichtig
«Die Ukraine hat alles getan, was möglich war, um den Kandidatenstatus zu erhalten», sagte Selenskyj über die EU-Ambitionen seines Landes. Kiew hatte kurz nach dem russischen Überfall vom 24. Februar den Beitritt zur EU beantragt. Die EU-Kommission will am Donnerstag ihre Empfehlung abgeben, ob dem Land der Kandidatenstatus gewährt werden sollte. Anschliessend wollen sich die EU-Staaten bei ihrem EU-Gipfel Ende kommender Woche damit befassen. Die EU-Staaten müssen letztlich einstimmig darüber entscheiden.
Die Verteidigungsminister der 30 Nato-Staaten beraten in Brüssel über noch offene Fragen im Zusammenhang mit dem grossen Gipfeltreffen in Madrid Ende Juni.
Der russische Präsident Wladimir Putin wiederum will beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg angesichts der westlichen Sanktionen mit Vertretern der Automobilbranche sprechen.