Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden - aber wie?

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Dass eine Einigung so schnell gelingen würde, war nicht absehbar: Die grosse Koalition hat bereits kurz nach dem Rüffel aus Karlsruhe Pläne für eine Reform des Klimagesetzes vorgelegt.

Das Ziel ist klar: Nach den Plänen der Bundesregierung soll Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Noch unklar ist, wie das Ziel erreicht werden soll. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa
Das Ziel ist klar: Nach den Plänen der Bundesregierung soll Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Noch unklar ist, wie das Ziel erreicht werden soll. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Richter in Karlsruhe hatten den politischen Prozess mit ihrem Urteil forciert, jetzt hat die Bundeskanzlerin das Ergebnis überraschend schnell und höchstpersönlich verkündet.

Deutschland soll nach den Plänen der Bundesregierung bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden - also nur noch so viel Treibhausgas ausstossen, wie auch wieder gebunden werden kann. Auf dem Weg dorthin soll es neue Zwischenziele geben, unter anderem eine Treibhausgasreduktion um 65 Prozent bis zum Jahr 2030. Bis heute sind diese Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent gesunken.

«Wir werden alles daran setzen, bereits 2045 das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen», sagte Merkel am Mittwoch bei einem Online-Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Dafür müssten zusätzliche Massnahmen ergriffen und umgesetzt werden.

Ebenfalls ambitionierter will die grosse Koalition laut Merkel bei der Einsparung von Emissionen bis 2030 werden, für die bislang das EU-Ziel von 55 Prozent im Vergleich zu 1990 ausschlaggebend war. «Wir werden unsere Anstrengungen für das Jahr 2030 noch einmal verstärken und unser Reduktionsziel auf 65 Prozent anheben», sagte die Kanzlerin.

Bereits am Mittag waren Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Vizekanzler Olaf Scholz (beide SPD) kurzfristig vor die Kameras getreten, um die Eckpunkte der geplanten Klimagesetzänderung zu verkünden. Sie soll schon in der kommenden Woche im Kabinett verabschiedet werden.

Nötig war die Anpassung geworden, da das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber in der vergangenen Woche mit einem wegweisenden Urteil aufgetragen hatte, bis Ende 2022 die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Ursprünglich war geplant, die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Deutschland hatte sich bisher an den EU-Klimazielen orientiert und kein eigenes nationales Ziel für die Klimaneutralität festgelegt.

Neu ist auch das Zwischenziel der Bundesregierung, bis 2040 die Emissionen um 88 Prozent zu senken, um so schrittweise auf 100 Prozent zu kommen. Einer der Kernkritikpunkte der Richter in Karlsruhe war, den Klimaschutzpfad nach 2030 nicht ausreichend geregelt zu haben.

Noch offen bleibt, wie genau die Ziele erreicht werden sollen und was die neuen Marken für einzelne Bereiche wie den Verkehr oder den Energiesektor bedeuten. Darüber liefen parallel noch Abstimmungen, hiess es. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wies am Nachmittag darauf hin, dass noch einige Fragen offen seien. Vor allem zu den Instrumenten, die nötig sind, um die neuen Ziele zu erreichen, etwa die Details zur CO2-Bepreisung oder die Geschwindigkeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Klimagesetz an sich legt zunächst nur den Reduktionspfad und Minderungsziele für die einzelnen Sektoren fest.

Neben einem höheren CO2-Preis und dem ambitionierteren Ausbau von Wind- und Solarenergie ist auch der Zeitplan zum Kohleausstieg ein wichtiger Knackpunkt. All das ist in der Bundesregierung noch nicht abschliessend abgestimmt.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte die neuen Klimaziele «machbar und richtig» und sagte: «Dazu braucht es aber noch konkrete Vereinbarungen in der Koalition zu einem dynamischeren CO2-Preis und einem Sprung für 2022 auf 45 Euro pro Tonne CO2 kombiniert mit einem schnelleren Ausbau der Photovoltaik. Dazu muss die Koalition diese Woche noch Ergebnisse erzielen.»

Kritik an den Plänen liess nicht lange auf sich warten. Die Bundesregierung habe nicht aufgezeigt, wie sie die Ziele erreichen wolle, monierte etwa die Deutsche Umwelthilfe. Sie kritisierte zudem wie auch Greenpeace das 65-Prozent-Ziel als unzureichend. Die Klimaschutzorganisationen pochen auf mindestens 70 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030 und Klimaneutralität schon bis 2040.

Auch aus der politischen Opposition gab es Widerspruch. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte die geplanten Nachschärfungen der Regierung als unzureichend. «Unter dem Druck des Verfassungsgerichts muss sich selbst die grosse Koalition beim Klimaschutz bewegen. Das ist ein Anfang, mehr aber auch nicht», sagte Hofreiter der «Rheinischen Post». Es fehle «der grossen Koalition an Kraft, das zu tun, was sinnvoll und notwendig wäre». Der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse enorm beschleunigt werden. «Hier muss die grosse Koalition endlich ihre Selbstblockade durchbrechen», appellierte Hofreiter. Er forderte die Bundesregierung auf, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen und ein 70-Prozent-Ziel zur Reduktion von Treibhausgasen bis 2030 festzulegen, anstelle der geplanten 65 Prozent. Auch von der Linken gab es Kritik. Der Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin forderte, dass Deutschland schon bis 2035 klimaneutral werden müsse.

FDP-Chef Christian Lindner warnte vor einem «deutschen Alleingang». Ziele, die nicht mit Europa abgestimmt seien, würden «nur dazu führen, dass sich innerhalb Europas die Lasten anders verteilen werden», sagte Lindner am Mittwoch in Berlin. So würden insgesamt aber nicht mehr Tonnen CO2 eingespart. «Deutschland war auch in der Vergangenheit schon sehr gut bei ambitionierten Klimazielen. Nicht gut waren wir bei ihrer Erreichung», bilanzierte der FDP-Chef.

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