Studie: Greifvogelbestände in Europa durch bleihaltige Jagdmunition stark reduziert
Die Jagd mit bleihaltiger Munition gefährdet Greifvögel in ganz Europa, da sie mit ihrer Nahrung oftmals auch das Blei aus dieser Jagdmunition aufnehmen.
Das Wichtigste in Kürze
- Rund 55.000 Vögel weniger in Europa wegen Bleivergiftungen.
Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Studie der University of Cambridge und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung fehlen in Europa mindestens 55.000 ausgewachsene Greifvögel aufgrund von Bleivergiftung. Tierschützer fordern schon seit längerem den Einsatz alternativer Jagdmunition.
Viele Greifvögel fressen an den Kadavern von bei der Jagd erlegten und zurückgelassenen Wildtieren. Finden sich in deren Körpern Fragmente des giftigen Bleis aus Jagdmunition, wird bei den Vögeln das aus der Nahrung aufgenommene Blei im Körper akkumuliert. Dies führt zu schweren bis tödlichen Vergiftungen, die Vögel erleiden einen langsamen und schmerzhaften Tod. Kleinere Dosen können nachweislich Verhalten und Physiologie der Greifvögel verändern.
Für ihre Studie sammelten die Forscher erstmals die Daten über den Bleigehalt in den Lebern von über 3000 toten Greifvögeln aus 13 europäischen Ländern, darunter aus Frankreich, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mit ihnen berechneten sie die Auswirkungen auf die Grösse ihrer Bestände. Nach Schätzung der Forscher führte bei zehn Greifvogelarten allein die Vergiftung durch Bleimunition dazu, dass dadurch rund 55.000 erwachsene Vögel am Himmel fehlen - ihre Gesamtpopulation ist somit um mindestens sechs Prozent kleiner als sie sein sollte.
Am stärksten betroffen sind Arten wie Stein- oder Seeadler, die von Natur aus langlebig sind, nur wenige Junge pro Jahr aufziehen und erst relativ spät mit dem Brüten beginnen. Der Bestand der Seeadler war demnach um 14 Prozent und der Bestand der Steinadler um 13 Prozent reduziert. Auch häufiger anzutreffende Arten wie der Mäusebussard und der Rotmilan wären ohne die Auswirkungen der Bleianreicherung deutlich zahlreicher.
Die Forscher stellten einen direkten Zusammenhang zwischen der Anzahl der Jäger und der Anzahl der vergifteten Greifvögel fest. Dass das Problem an der bleihaltigen Jagdmunition liegt, zeige das Beispiel Dänemark, wo sie seit 1996 verboten ist, sagte der Hauptautor der Studie, Rhys Green, der Nachrichtenagentur AFP: «In Dänemark wurden danach keine mit Blei vergifteten Greifvögel gefunden».
«In Deutschland haben nur vier von 16 Bundesländern die Verwendung von bleihaltiger Büchsenmunition für die Jagd verboten», erklärte Ko-Autor Oliver Krone vom Leibniz-Institut. Ko-Autorin Debbie Pain forderte ein Verbot der Bleimunition. «Das vermeidbare Leiden und der Tod zahlreicher einzelner Greifvögel durch Bleivergiftungen sollten ausreichen, um die Verwendung ungiftiger Alternativen zu fordern», erklärte sie. «Die nun quantifizierten Auswirkungen auf die Bestände machen dies doppelt wichtig und dringend.»
Die in der Fachzeitschrift «Science of the Total Environment» veröffentlichte Studie weist darauf hin, dass jedes Jahr rund 14.000 Tonnen Blei aus Jagdmunition EU-weit in der Natur landen. Nur zwei europäische Ländern, neben Dänemark auch die Niederlande, haben ein landesweites Verbot von Bleischrot erlassen. Die EU und Grossbritannien planen demnach ein Verbot, stossen aber auf den Widerstand von Jagdverbänden.