Pigcasso, ein malendes Schwein aus Südafrika, hat Weltruhm erlangt. Seine expressionistischen Bilder verkaufen sich überall auf der Welt. Ab Juli werden seine Werke erstmalig in Deutschland ausgestellt.
Pigcasso bei der Arbeit.
Pigcasso bei der Arbeit. - Kristin Palitza/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Eigentlich ist Pigcasso ein ganz normales Schwein.
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Es frisst für sein Leben gern, liebt Schlammbäder und ist gern faul. Doch die sechsjährige Sau hat ein äusserst ungewöhnliches Hobby: Sie malt Bilder, und das mit grosser künstlerischer Begabung.

Das Schwein lebt auf einem Gnadenhof im südafrikanischen Winzerdorf Franschhoek. Zwei, drei Mal pro Woche greift Pigcasso zum Pinsel. Seine Halterin Joanne Lefson stellt ihm eine Leinwand und Farbtöpfe auf, doch den Rest macht das Schwein allein. Mit der Schnauze ergreift es die Pinsel mit extra breitem Griff und schwenkt den Kopf mal hoch, mal runter, mal nach rechts und im Bogen wieder nach links. Zwischendurch gibt es viele Pausen, in denen Pigcasso als Belohnung begierig Äpfel, Schrot, Melonen und andere Leckereien mampft.

Kreativer Prozess bleibt Schweinssache

Zwar wählt Lefson die Farben aus, rückt die Leinwand zurecht und entscheidet, wann ein Bild fertig ist. Doch auf Pigcassos kreativen Prozess nehme sie keinen Einfluss, beteuert die Tierliebhaberin. Zum Beweis, dass keine menschliche Hand im Spiel ist, filmt sie die Anfertigung jedes schweinischen Kunstwerks, das Pigcasso zum Abschluss mit der Schnauze signiert. Jeder Käufer erhält eine Kopie des Videos, ein Echtheitszertifikat sowie ein Foto der tierischen Künstlerin mit dem Bild.

Lefson verweist offen auf ihre Rolle als menschliche Partnerin der Künstlerin Pigcasso: «Es ist eine menschlich-nichtmenschliche Kollaboration.» Somit steht auch Lefsons Name neben Pigcassos Signatur. Die Arbeit der Sau, die Lefson als einmonatiges Ferkel von einem Schlachthof rettete, bezeichnet sie als «einzigartiges Geschenk». Eigentlich sollte Pigcasso über sechs Monate gemästet und dann geschlachtet werden. Doch sie hat Schwein gehabt. Seit 2016 lebt die inzwischen 500 Kilo schwere Sau auf Lefsons Gnadenhof zusammen mit anderen Schweinen, Hühnern, Ziegen, Kühen und Schafen.

Lefson, eine überzeugte Tieraktivistin, warf der kleinen Pigcasso Spielzeuge in den Stall, wohlwissend, dass Schweine «intelligente Tiere sind, die Unterhaltung schätzen». Doch die Sau zerstörte jeden Ball. Nur an ein paar alten Pinseln zeigte sie Interesse. «Ich dachte mir: Vielleicht ist da was dran», erzählt Lefson, die einst Kunst und Zoologie studierte. «Ich habe Pigcasso beigebracht, wie man einen Pinsel hält. Aber ihre expressionistische Technik hat sie selbst entwickelt», sagt Lefson.

Der Erfolg war so nicht geplant

Pigcassos Malerei war pures Hobby bis ein Ehepaar aus New York, das den Hof besuchte, Interesse bekundete, eines der Bilder zu erwerben. «Von da an wurde die Sache zum Selbstläufer», meint Lefson. Pigcassos Talent sprach sich herum. Touristen aus aller Welt wollten das malende Schwein sehen und seine Malereien erstehen. Inzwischen ist Pigcassos Kunst weltberühmt geworden - und sauteuer. Eine Leinwand ist ab 1500 Euro zu haben, ein Kunstdruck für ungefähr 200 Euro.

Im Dezember ging die tierische Künstlerin offiziell ins Guinness-Buch der Rekorde ein: Ein deutscher Kunstsammler hatte Pigcassos Bild «Wild and Free» für 22.000 Britische Pfund (umgerechnet knapp 26.000 Euro) erworben - das teuerste Werk eines nichtmenschlichen Künstlers. Damit brach Pigcasso den bestehenden Rekord des Schimpansen Congo, dessen Bild einst für 14.000 Pfund einbrachte.

Deutsche seien generell Pigcassos beste Kunden, erzählt Lefson, gefolgt von Schweizern, Briten und Amerikanern. Pigcassos Bilder hängen inzwischen in Häusern überall auf der Welt, von Kolumbien bis Kasachstan. Die Sau hat ausserdem in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Uhrenhersteller Swatch eine limitierte Armbanduhr herausgebracht. Für nächstes Jahr steht die Veröffentlichung eines Buchs über Pigcassos Leben an. Hierfür hat die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall das Vorwort geschrieben. Ab Juli werden Pigcassos Werke für drei Monate im niedersächsischen Hannoversch-Münden ausgestellt - ihre erste Ausstellung in Deutschland.

Pigcasso ist nicht das einzige Tier mit künstlerischem Talent. In den USA malt beispielsweise Labrador-Golden-Retriever-Mischling DogVinci Bilder für gute Zwecke. In Thailand leben im Thai Elephant Conservation Centre in der Nähe der nördlichen Stadt Chiang Mai malende Elefanten. Im Zoo von Denver in Colorado brachte einst ein Spitzmaulnashorn namens Msindhi Farbe zu Papier. Im Hakkeijima Sea Paradise Aquarium in Yokohama, Japan, wurde ein malerisch kreativer Beluga-Wal weltbekannt.

Mal-Training kann gut für Tiere sein

Tiere seien mit Sicherheit innovativ, bestätigt Allison Kaufman, eine Tierforscherin an der Universität von Connecticut in den USA. Sie könnten beispielsweise eine neue Art der Nahrungssuche erfinden oder neue Wege, um einen Partner zu beeindrucken. In menschlicher Obhut könne einem Tier das Malen genauso beigebracht werden wie jedes andere Verhalten, meint die Forscherin. Solange es freiwillig sei, sei so ein Training gut für die Tiere, da es sie kognitiv stimuliere.

Allerdings könne niemand definitiv sagen, ob ein Tier sich seiner selbst bewusst sei oder ob ein Gemälde absichtlich Kunst sei, betont Kaufman. «Tiere haben nicht viel Bedarf an emotionalem Ausdruck - zumindest soweit wir wissen. Das bedeutet aber nicht, dass wir Tierkunst nicht geniessen sollten», meint die Forscherin. Sie selbst habe zu Hause eine Wand voller von Tieren gemalter Bilder, die sie über alles liebe.

Für Lefson ist Pigcassos Begabung Mittel zum Zweck. Die Erlöse der Kunstwerke fliessen zurück in den Gnadenhof, sagt Lefson, um den würdevollen Lebensabend Dutzender Bauernhoftiere zu finanzieren, die ursprünglich auf dem Abendbrotteller hätten landen sollen. «Mir geht es um weit mehr als Pigcassos Berühmtheit. Ich will zeigen, dass Schweine Wert haben, dass sie es verdienen, besser behandelt zu werden», sagt Lefson.

Sie hofft, dass sich die Liebhaber von Pigcassos Kunst auch für humanere Viehhaltung einsetzen oder es sich zumindest zweimal überlegen, bevor sie im Supermarkt nach Schinken und Haxen greifen. Denn wer weiss, vielleicht wäre das Schwein, das in der Pfanne brutzelt, der nächste van Gogh gewesen.

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