«Symbolischer Cent»: Aldi nimmt Geld für dünne Plastiktüten

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Deutschland,

Der Discounter Aldi will eine Vorreiterrolle im Kampf gegen die Plastiktütenflut übernehmen. Doch bei Umweltschützern und Wettbewerbern stösst der Vorstoss auf überraschend wenig Gegenliebe.

Der Discounter Aldi schafft die kostenlosen Obst- und Gemüsebeutel aus dünnem Plastik ab. Foto: Marcel Kusch
Der Discounter Aldi schafft die kostenlosen Obst- und Gemüsebeutel aus dünnem Plastik ab. Foto: Marcel Kusch - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die klassischen Plastiktüten sind im deutschen Lebensmittelhandel kaum noch zu finden.

Doch dünne Plastikbeutel zur Verpackung von losem Obst und Gemüse werden nach wie vor milliardenfach verwendet.

Dagegen will Aldi nun etwas tun. Der Discounter kündigte am Dienstag an, er werde im Interesse des Umweltschutzes die kostenlosen Obst- und Gemüsebeutel abschaffen.

Wer bei dem Billiganbieter beim Einkauf von Äpfeln, Birnen oder Tomaten nicht auf den sogenannten Knotenbeutel verzichten will, muss dafür vom Sommer an einen Cent pro Stück zahlen, wie das Unternehmen am Dienstag ankündigte. Dafür ist der Beutel dann aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Die «Süddeutsche Zeitung» hatte zuvor über die Aldi-Pläne berichtet. Bei Umweltschützern und anderen Handelsketten stiess der Vorstoss des Händlers allerdings auf Kritik.

Bisher bieten die grossen Lebensmittelhändler die dünnen Kunststoffbeutel in ihren Obst- und Gemüseabteilungen in der Regel noch kostenlos an. Aldi will dies Praxis jedoch beenden und damit eine Vorreiterrolle im deutschen Einzelhandel übernehmen. «Wir würden uns freuen, wenn andere Händler mitziehen. Denn nur durch eine branchenweite Lösung könne wir bei der Reduzierung der Plastiktüte einen grossen Schritt nach vorne machen», sagte Aldi-Managerin Kristina Bell. Die Erfahrung bei den normalen Plastiktüten habe gezeigt, dass Umdenken einsetze, wenn Geld dafür verlangt werde.

Während der Verbrauch an «klassischen» Plastiktüten in den vergangenen Jahren drastisch gesunken ist, wurden auch 2018 in Deutschland nach Angaben des Bundesumweltministeriums noch rund drei Milliarden der dünnen Knotenbeutel verbraucht, ähnlich viele wie in den Jahren zuvor.

Bei Umweltschützern stiess die Aldi-Initiative dennoch auf erhebliche Vorbehalte. Die Deutsche Umwelthilfe bewertete den Schritt als «reine Symbolpolitik». Ein signifikanter Lenkungseffekt sei bei einem derart niedrigen Preis nicht zu erwarten.

Auch Greenpeace-Sprecherin Viola Wohlgemuth bezeichnete die Initiative als «Augenwischerei». Der Umstieg auf Bioplastik sei keine Lösung, denn auch diese Material brauche sehr lange, bis es verrotte. Wenn Aldi hier wirklich etwas tun wolle, müsse es das Einkaufen von unverpackten Produkten aktiv fördern. «Toll wäre es, wenn es einen Preisnachlass für unverpackt gekaufte Ware geben würde, statt mehr Geld für die Beutel zu nehmen. Das könnte gerade bei der preisorientierten Kundschaft von Aldi funktionieren», sagte sie.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) mahnte unterdessen weitere Massnahmen an: «Ich habe den Handel aufgefordert, mir bis Herbst konkrete Konzepte vorzulegen, wie die Supermärkte auf ökologisch sinnvolle Weise die Menge an Plastikverpackungen deutlich verringern können. Das gilt für Hemdchenbeutel, aber eben auch für andere Obst- oder Gemüseverpackung», sagte sie.

Kritik an Aldis Vorstoss kam auch von konkurrierenden Einzelhändlern. Ein Edeka-Sprecher verwies darauf, dass die sogenannten Knotenbeutel im Discount ohnehin kaum eine Rolle spielten, da dort nur wenige Produkte lose verkauft würden.

Auch dass die Kunden künftig für die Beutel in die Tasche greifen sollen, kam bei der Konkurrenz nicht gut an. «Bisher werden die Kontenbeutel dem Kunden frei zur Verfügung gestellt. Diesen Service lässt sich Aldi zukünftig bezahlen und verdient auch noch an der Massnahme», rügte der Edeka-Sprecher. Dabei sei es mehr als fragwürdig, ob es durch den 1-Cent-Aufschlag wirklich zu einem veränderten Verbraucherverhalten kommen werde. Edeka setze stattdessen auf einen ganzheitlichen Ansatz zur Plastikreduktion. Ähnlich äusserte sich die Edeka-Discount-Tochter Netto.

Die Handelsgruppe Rewe verwies darauf, dass sie sowohl in den Rewe-Märkten als auch bei der Discount-Tochter Penny neben den Knotenbeuteln auch wiederverwendbare Mehrwegnetze für Obst und Gemüse anbiete. Das werde von den Kunden gut angenommen. Von Lidl war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Doch hat der Discounter bereits angekündigt, ab dem Sommer ebenfalls wiederverwendbare Mehrwegnetze anzubieten.

Real will in der Obst- und Gemüseabteilung die Knotenbeutel-Spender Schritt für Schritt durch solche für Mehrwegnetze ersetzen. Auf Nachfrage würden dann für besonders empfindliche Produkte wie etwa lose Kirschen auch Tüten aus Recycling-Papier angeboten - allerdings erst Ende 2020.

Lob für die Aldi-Initiative gab es dagegen von dem Marketing-Experten Martin Fasnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf. Er urteilte: «Aldi macht das sehr gut. Der Discounter tut etwas für die Umwelt. Das hilft seinem Image. Gleichzeitig ist der Preis klug gewählt. Ein Cent pro Tüte, das passt einfach. Drei oder fünf Cent wären zu viel. Aber ein Cent, das wird dem Preisimage nicht schaden.»

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