In Deutschland musste die Verteidigungsministerin für ihren Syrien-Plan viel Kritik einstecken. Auch auf dem internationalen Parkett löst Annegret Kramp-Karrenbauer damit keine Begeisterung aus. Aber zumindest stösst sie auf offene Ohren.
Annegret Kramp-Karrenbauer beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa
Annegret Kramp-Karrenbauer beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer stösst bei den Nato-Partnern mit ihrem Plan für eine Syrien-Schutztruppe auf verhaltene Reaktionen.
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Ihr US-Kollege Mark Esper begrüsste zwar die Initiative, will aber keine Truppen beisteuern.

Von den europäischen Verbündeten kam bei einem Nato-Verteidigungsministertreffen in Brüssel zwar Anerkennung dafür, dass es überhaupt eine Initiative gibt. Öffentlich stellte sich aber noch kein Land klar hinter den Vorschlag Kramp-Karrenbauers.

Allerdings verabschiedete das Europäische Parlament mit grosser Mehrheit eine Resolution, die ihre Idee einer international kontrollierten Schutzzone unterstützt. Kramp-Karrenbauer selbst, für die es seit Amtsantritt ihr erstes Nato-Treffen war, sprach von «sehr ermutigenden» ersten Gesprächen. Sie sagte aber auch: «Das wird noch ein langer Prozess, ein schwieriger Weg.»

Der Verteidigungsministerin fehlt weiter die Unterstützung des Koalitionspartners SPD. In Brüssel konnte sie deswegen nicht im Namen der Bundesregierung sprechen. Aussenminister Heiko Maas zeigte sich im Bundestag erneut zurückhaltend. «Entscheidend ist im Ergebnis, worauf wir uns mit unseren internationalen Partnern in dieser Situation verständigen können», sagte er. «Davon wird abhängig sein, welche Pläne wir weiter verfolgen und welche nicht.»

Maas kündigte überraschend an, am Samstag in die Türkei zu fliegen, um auf eine dauerhafte Waffenruhe zu dringen. Ausserdem will er die Einhaltung internationalen Rechts beim Umgang mit Flüchtlingen und eine Unterstützung der politischen Friedensbemühungen für Syrien einfordern. Bereits am Donnerstag sprach Maas mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow über die Lage in Syrien.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält Kampfhandlungen weiterhin für möglich. «Wenn die Terrororganisation unser Land von diesen Regionen aus weiterhin belästigt, dann werden wir unseren Plan der Offensive auch hier weiterhin durchführen», sagte Erdogan. Damit widersprach er US-Präsident Donald Trump, der zuvor eine dauerhafte Feuerpause seitens der Türkei in Aussicht gestellt hatte.

Erdogan hatte Maas als «politischen Dilettanten» bezeichnet, nachdem dieser Einschränkungen der deutschen Rüstungsexporte als Reaktion auf die türkische Syrien-Offensive angekündigt hatte. Ob es ein Treffen der beiden in Ankara geben wird, war zunächst unklar.

Die Türkei war vor zwei Wochen in Syrien einmarschiert, um die von ihr als Terrororganisation angesehene Kurdenmiliz YPG zu verdrängen. Parallel zogen die bislang mit den Kurden verbündeten US-Truppen aus dem Gebiet ab. Am Dienstagabend hatten sich der türkische Präsident Erdogan und Kremlchef Wladimir Putin in Sotschi über einen weiteren Abzug der YPG aus den Grenzgebieten und eine gemeinsame Kontrolle der Region geeinigt. Daraufhin waren Zweifel daran laut geworden, ob Kramp-Karrenbauers Plan nun überhaupt noch Sinn macht.

Die CDU-Vorsitzende will das syrische Grenzgebiet zur Türkei von einer UN-Truppe schützen lassen. Wie diese Truppe zusammengesetzt werden soll und ob sich auch die Bundeswehr beteiligen würde, hatte sie aber nicht gesagt. Einem UN-Einsatz müsste der Weltsicherheitsrat zustimmen und damit auch Russland, das in dem wichtigsten UN-Gremium ein Vetorecht hat. Russland gilt aber als Schutzmacht des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, weshalb es im Sicherheitsrat bisher keine Einigungschancen in Sachen Syrien gab.

US-Verteidigungsminister Esper sagte «politische» Unterstützung für den Vorstoss Kramp-Karrenbauers zu. Er räumte aber auch ein, dass er ihren Plan noch nicht genau kenne. «So weit ich weiss, geht es in dem Vorschlag darum, dass europäische Partner gemeinsame Patrouillen in diesem neuen Korridor durchführen wollen. Ich denke, das ist gut.» Die USA würden von den europäischen Partnern schon seit einiger Zeit fordern, mehr für die Sicherheit in dieser Weltregion zu tun.

US-Präsident Donald Trump hatte bereits im Juli seinen Beauftragten für die Anti-IS-Koalition nach Berlin geschickt, um deutsche Bodentruppen für Syrien als Ersatz für die eigenen Soldaten zu fordern. Damals gab es noch eine Absage von Kanzlerin Angela Merkel. Der Bundestag entschied am Donnerstag, dass die Bundeswehr sich noch zum 31. März 2020 mit «Tornado»-Aufklärungsjets und Tankflugzeugen am Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak beteiligt.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte nach dem Treffen, Kramp-Karrenbauer habe ihre Ideen vorgestellt. Es gebe breite Unterstützung für eine politische Lösung in Nordsyrien - auch unter Einbezug der «internationalen Gemeinschaft». Vor dem Treffen hatte Stoltenberg den Vorstoss grundsätzlich begrüsst, aber auch gesagt, dass es noch viele offene Fragen gebe.

Für Staaten wie Frankreich sei es noch zu früh für eine Bewertung der Vorschläge, hiess es aus Nato-Kreisen. Die französische Ministerin Florence Parly dankte Kramp-Karrenbauer am Donnerstag jedoch für die Initiative. Der belgische Aussenminister Didier Reynders zeigte sich grundsätzlich aufgeschlossen. Die Situation habe sich seit der Einigung zwischen Russland und der Türkei jedoch völlig geändert.

Der spanische Europa-Staatssekretär im Aussenministerium, Marco Aguiriano, forderte in der «Welt» auch die EU zum Handeln auf: «Wir können eine solche Situation so nah an Europa nicht einfach hinnehmen.» Kramp-Karrenbauers Vorschlag wolle man prüfen, sobald man mehr darüber wisse. Er sprach von einer «historischen Initiative», weil es das erste Mal sei, «dass Deutschland einen Vorschlag macht, der möglicherweise zu einer Intervention bewaffneter Truppen auf dem Gebiet eines Drittstaates führt».

Ihre eigene Partei hat die CDU-Chefin jedenfalls hinter sich. Dort wird bereits über eine mögliche Bundeswehr-Beteiligung an einer internationalen Schutztruppe diskutiert. «Ich glaube schon, dass sich Deutschland als Mitglied des UN-Sicherheitsrates und Initiator eines solchen Vorschlages dran beteiligen muss», sagte der aussenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, im ZDF-Morgenmagazin. Aus der SPD kommen dagegen Warnungen vor einem Bundeswehr-Einsatz. «Das darf es nicht geben. Das bedeutet eine Militarisierung der deutschen Aussenpolitik, und die SPD kann und wird so etwas nicht mitmachen», sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner.

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