Tausende Flüchtlinge an polnischer Grenze gestrandet
Die Lage an der Grenze zwischen Belarus und Polen spitzt sich zu: Videos zeigen, wie die Flüchtlinge mit Pfefferspray zurückgedrängt werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Belarus hat eine grosse Gruppe von Flüchtlingen an Polens Grenze geschickt.
- Das Ziel von Diktator Alexander Lukaschenko: Er will die EU destabilisieren.
- Die Migranten wollten den Zaun durchbrechen und wurden mit Pfefferspray zurückgedrängt.
Es sind dramatische Szenen, die sich derzeit an der östlichen EU-Aussengrenze zwischen Belarus und Polen abspielen: Tausende Migranten aus Krisenregionen wie Afghanistan und Syrien versuchen in den Westen zu gelangen. Die Lage hatte sich am Montag enorm zugespitzt, weshalb Polen die Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze zu Belarus nochmals verstärkt hat.
Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak sprach am Mittag von 12'000 Soldaten, die an der Grenze im Einsatz seien. Der Grenzschutz hat zur Verstärkung sogar Anti-Terror-Einheiten nachgezogen. Premierminister Mateusz Morawiecki versprach, dass die Einsatzkräfte die Grenzen des Landes und «die Grenzen der EU verteidigen» werden.
Das Innenministerium des Landes veröffentlichte am Montag mehrere Videos der Situation an der Grenze auf Twitter. Wiederholt waren dort Versuche, die Grenzzäune zu durchbrechen, zu sehen. So etwa in der Nähe des Grenzortes Kuznica, als eine Gruppe von Männern versuchte, mit einem Spaten und einem Baumstamm den Stacheldrahtzaun umzureissen. Die polnischen Sicherheitskräfte reagierten zum Teil mit Tränengas und drängten die Migranten zunächst zurück.
Auf Videoaufnahmen von der belarussischen Seite der Grenze war am Mittag zu sehen, dass der Grenzzaun nach Polen zum Teil eingerissen wurde. An dessen Stelle bildeten polnische Sicherheitskräfte mit Schutzschilden eine Mauer. Die polnischen Behörden setzten zusätzlich einen Helikopter ein. Ab Dienstag, 7 Uhr wird der Grenzverkehr für Waren und Personen am Übergang Kuznica eingestellt.
Bis zu 10'000 Flüchtlinge in Belarus
Nach Erkenntnissen der polnischen Behörden halten sich gegenwärtig zwischen 3000 und 4000 Migranten in dem belarussischen Gebiet nahe der polnischen Grenze auf. Das teilte Regierungssprecher Piotr Müller mit. Auf dem Staatsgebiet von Belarus seien insgesamt sogar mehr als 10'000 Menschen, die die Grenze überqueren wollten, so Müller. Belarussische und polnische Behörden hatten am Morgen zuerst darüber informiert, dass sich Hunderte von Migranten zu Fuss auf die Grenze zubewegen.
Am Abend baute die Gruppe an der Grenze verschiedene Zelte im Bereich des Zauns auf und entzündete Lagerfeuer. Das polnische Innenministerium veröffentlichte ein Video, aufgenommen von einem Helikopter, welches die gestrandeten Flüchtlinge in ihren Zelten zeigt. Die Menschen müssen dort die Nacht verbringen – unter Aufsicht von bewaffneten Sicherheitskräften von Belarus-Machthaber Alexander Lukaschenko.
Im Dunkel der Nacht waren laut verschiedenen Medienberichten Schüsse zu hören. Belarussische Polizeikräfte sollen in die Luft geschossen haben, als einige der Flüchtlinge zurück in Richtung Belarus gegangen seien. Die Regierung in Warschau sprach von einer «Invasion» und machte Lukaschenko dafür verantwortlich.
Lukaschenko fliegt Flüchtlinge ein, um sie in die EU zu schleusen
Lukaschenko wird vorgeworfen, seit Monaten Flüchtlinge aus dem Iran, Irak, Syrien, Afghanistan, Afrika und Asien einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Sein Ziel: Er will Litauen, Polen und Deutschland stabilisieren. Er hatte dies als Reaktion auf Sanktionen gegen sein Land angekündigt. In der Grenzregion gab es bereits mehrere Todesfälle unter Migranten. Polen und Litauen haben in den vergangenen Monaten Tausende Grenzübertritte gemeldet. Deutschland gilt als ein Hauptziel der Migranten.
Die «Bild»-Zeitung berichtet, dass Lukaschenko derzeit gezielt Migranten aus Damaskus und Istanbul einfliegen lässt. Die meisten inzwischen über Moskau – mit tatkräftiger Hilfe und Deckung durch Kreml-Führer Wladimir Putin. Die Gruppe, die derzeit am Grenzzaun übernachtet, soll Lukaschenko etwa am Montagmorgen von Minsk aus in Richtung der polnischen Grenze geschickt haben.
Lukaschenko ist in Minsk seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht. Der 67-Jährige regiert mit harter Hand. Kritiker nennen ihn den «letzten Diktator Europas». Die EU erkennt Lukaschenko seit der umstrittenen Präsidentenwahl im vergangenen Jahr nicht mehr als Staatsoberhaupt von Belarus an. Unterstützt wird er lediglich noch von Russland.