Deutschland will Präsenz erhöhen und Moscheen bewachen nach Hanau
Das Wichtigste in Kürze
- Der mutmasslich rassistische Täter Tobias R. (†43) hat in Hanau zehn Menschen erschossen.
- In Deutschland ist die Empörung darüber und die Solidarität mit den Opfern gross.
- Muhammed R. hat überlebt. Er erzählt unter Tränen, wie er ein Opfer zu retten versuchte.
Elf Tote und sechs Verletzte hat der rechte Terroranschlag vom Donnerstag in Hanau (D) gefordert. Bei acht der Opfer handelt es sich um Menschen türkischer Abstammung.
Muhammed R. hat im Schuss-Massaker seine Freunde und fast sein eigenes Leben verloren. Er erzählt im Spitalbett gegenüber «Bild», wie er die bangen Minuten nach dem Terror in der Shisha-Bar erlebte: «Unter mir lag jemand mit einem Loch im Hals, aber er hat noch gelebt und mit mir geredet», erinnert er sich.
Er habe versucht, dessen Wunde zuzuhalten. Auf einmal habe der Mann gesagt: «Meine Zunge wird taub, ich kriege keine Luft mehr». Und da sei es auch schon vorbei gewesen.
Hörte den letzten Atem der Freunde
Das Ganze sei ein Blutbad gewesen - wie in einem Film, sagt Muhammed R. Er selber wurde an der Schulter verletzt. Die Kugel habe die Luftröhre nur um wenige Zentimeter verfehlt.
Muhammed R. hörte den letzten Atemzug der Terror-Opfer. «Das waren meine Freunde», erzählt er unter Tränen.
Kritik an AfD wächst
Die Ermittler gehen nach der Tat vom Donnerstagabend von einem rassitisch motivierten Anschlag aus. In Deutschland wächst deshalb die Kritik gegenüber der rechtspopulisteischen Partei AfD.
Der 43-Jährige Deutsche, der danach tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde, hatte an mehreren Orten auf seine Opfer geschossen, die Getöteten waren zwischen 21 und 44 Jahre alt.
Der Mann hatte nur wenige Tage vor der Tat ein Video auf Youtube publiziert, in welchem er gegen Ausländer hetzt und beschreibt, er fühle sich vom Geheimdienst beschattet. Schon Vorher hatte er offenbar ein Manifest verfasst.
Nun bestätigt der deutsche Bundesanwaltschaft Generalbundesanwalt Peter Frank hat bestätigt, dass die Bundesanwaltschaft schon im vergangenen November Kontakt mit dem mutmasslichen Attentäter hatte. Damals sei bei seiner Behörde eine Anzeige des Mannes eingegangen. Er habe darin Strafanzeige gegen eine unbekannte geheimdienstliche Organisation gestellt.
Seehofer verurteilt Anschlag
Der deutsche Innenminister Horst Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht gaben am Freitagmorgen eine Pressekonferenz. Laut Seehofer war die Tat ein rassistisch motivierter Anschlag. Nach dem Lübke-Attentat und dem Angriff auf die Synagoge in Halle war dies bereits der dritte rechtsextremistische Angriff innerhalb eines Jahres.
In den letzten Tagen seien einige Hausdurchsuchungen durchgeführt worden. Dies habe gezeigt, die Gefährdungslage durch Rechtsextremismus sei in Deutschland sehr hoch.
«Werden Präsenz erhöhen und Moscheen bewachen»
Seehofer warnte auch vor Nachahmungstätern. Für mehrere Grossanlässe in den nächsten Tagen habe man Massnahmen besprochen. Die Polizeipräsenz werde in ganz Deutschland erhöht. Moscheen würden genauer überwacht. Die Bundespolizei werde die Bundesländer unterstützen. Hohe Präsenz an Bahnhöfen und Flughäfen werde in den nächsten Wochen garantiert sein.
Hotline 24 Stunden aufgeschaltet
Auch Christine Lambrecht äusserte sich danach. Sie drückte ihre Anteilnahme den Opfern und ihren Angehörigen aus. Es gebe eine Hotline, die während 24 Stunden aufgeschaltet ist.
Eine solche Hasstat geschehe nicht im Affek, so Lambrecht. Solche Volksverhetzung müsse in Zukunft früher geahndet werden. Deshalb setzt sie sich für ein Gesetz ein, dass Hasskommentare und -schreiben online schneller erkannt und gemeldet würden.
Die Hintergründe der Tat könnten zurzeit noch nicht offengelegt werden, man sei an den Ermittlungen. Die Spurensicherung läuft noch immer. Die Wohnung des Täters werde durchsucht und das Tatgeschehen in der Wohnung rekonstruiert.