Ukraine Krieg: Arzt malte Blutgruppe von Kindern auf Rucksäcke
Mitten im Ukraine-Krieg gelingt einem ukrainischen Kinderheimleiter mit 167 Kindern und einigen Erwachsenen die Flucht nach Deutschland – mit viel Hilfe.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein ukrainischer Heimleiter floh mit 167 Kindern und 30 Mitarbeitenden aus Kiew.
- Die Gruppe ist nach einer dreitägigen Reise in Freiburg bei ihren Partnern angekommen.
- Roman Kornijko erzählt von der turbulenten Reise, markierten Rucksäcken und Luftangriffen.
Mit den ersten russischen Panzern in Kiew änderte sich für Roman Kornijko und seine Frau alles. Sie entschieden sich zur Flucht, mit den 167 Kindern in ihrer Obhut.
Das ukrainische Paar leitet das Kinderheim Ochty Dim, am Rande Kiews. Dank zahlreicher Helfer haben sie die turbulente Flucht nach Deutschland überlebt. Im Gespräch mit dem «Spiegel» erzählt der Arzt, mittlerweile in Freiburg (D) angekommen, von der dreitägigen Reise.
Rund 100 der Mitarbeitenden musste Kornijko mitten im Ukraine-Krieg zurücklassen; aber mit 167 Kindern – zwischen drei und 18 Jahren – und 30 Erwachsenen schaffte er die Flucht: «Alle sind am Leben. Das ist das Allerwichtigste.»
Neue Regeln: Alle müssen leise sein
«Es war klar, dass wir die Kinder retten müssen», erklärt er der Zeitung. Er habe allen die Situation im Ukraine-Krieg erklärt. «Wir sagten, dass es jetzt neue Regeln gibt, alle müssen leise sein. Es dürfen nur diejenigen schreien, die verletzt sind.»
Ein Busunternehmer bot ihnen Unterstützung an und ebenso die deutschen Partner des Heims, die Evangelische Stadtmission Freiburg.
Es musste alles zügig gehen. «Bevor wir losfuhren, malten wir bei allen Kindern mit Filzstiften die Blutgruppe auf den Rucksack.» Eine «Überlebenschance» für den Fall, dass sie im Ukraine-Krieg beschossen werden.
«Wir verzichteten auf Proviant, damit niemand aufs Klo muss. Unterwegs wäre es zu gefährlich gewesen, das Fahrzeug zu verlassen.»
350 Kilometer ausserhalb Kiews, als sie die erste Pause einlegten, passierte es: Bei einer Tankstelle kamen sie in einen Luftangriff. «Es war mitten in der Nacht, als plötzlich Explosionen am Himmel erschienen. Alle wussten, dass wir an diesem Ort in Lebensgefahr sind», erinnert sich der 55-Jährige.
Die Kinder kämpfen um ihr Leben im Ukraine-Krieg
Sie fuhren ohne Stopp, ohne Beleuchtung und mit maximaler Geschwindigkeit weiter. «Niemand hat geweint, auch die Kleinsten nicht», so der Heimleiter. Sie waren von Kiew aus eskortiert worden und konnten so dem Stau ausweichen: «Vor uns fuhr die Polizei mit Fernlicht, damit im Zweifel sie bombardiert werden und nicht die Kinder.»
Roman Kornijko erklärt im «Spiegel»-Gespräch: «Viele von ihnen haben nicht mehr als ihr Leben. Ich dachte mir: Zumindest das müssen wir schützen.»
Probleme an der Grenze
Am Samstagnachmittag waren die vier Busse und die zwei Transporter an der Grenze. «Wir mussten mehr als zwölf Stunden warten», so Kornijko. Es gab – trotz Einladung der Partner – einige Komplikationen.
«Nicht alle Kinder haben einen Pass», erklärt der Heimleiter. Ein 18-jähriger Bub und einer der Pflegeväter haben nicht ausreisen dürfen – sie kehrten ins Heim zurück. «Das hat mir natürlich das Herz zerrissen.»