Ukraine Krieg: Darum werden schon junge Russen zu Kriegsverbrechern
Russischen Truppen werden im Ukraine-Krieg Kriegsverbrechen vorgeworfen. Ein Psychiater erklärt, wie junge Soldaten zu Vergewaltigern und Mördern werden können.
Das Wichtigste in Kürze
- In Butscha haben russische Soldaten Gräueltaten an Zivilisten verübt.
- Ihnen werden Kriegsverbrechen wie Mord und Vergewaltigung vorgeworfen.
- Ein Psychiater erklärt, wie es zu solchen Gräueltaten im Krieg kommen kann.
Die Bilder der Gräueltaten in Butscha gingen in den letzten Tagen um die Welt. Russische Truppen haben im Ukraine-Krieg unbewaffnete Zivilisten vergewaltigt, gefoltert, getötet.
Die politischen Mächte des Westens sprechen von Kriegsverbrechen durch russische Soldaten. Viele von ihnen sind gerade einmal 18 Jahre alt. Doch wie werden gerade so junge Soldaten zu Kriegsverbrechern?
Unterscheidung zwischen Persönlichkeits- und Situationstätern
Der renommierte Psychiater Frank Urbaniok unterscheidet in seinem Modell zwischen Persönlichkeits- und Situationstätern.
Für ersteren braucht es keine spezielle Situation oder keine spezifischen Umstände, damit er eine Tat verübt.
Bei einem Situationstäter hingegen muss eine bestimmte Situation gegeben sein, damit er eine Tat verübt. Für eben solche Situationstaten sind die meisten Menschen laut Urbaniok sehr anfällig.
Umstände im Ukraine-Krieg gegeben
In Kriegen wie dem Ukraine-Krieg käme es zu solchen Umständen: «Eine Truppe ist im Kleinen immer ein totalitäres System. Da spielt der Gruppendruck eine wichtige Rolle, genauso wie das hierarchische System», sagt der Psychiater auf Anfrage von Nau.ch.
Die russische Propaganda der «Entnazifizierung der Ukraine» spiele dem ebenfalls in die Hände. Das sehe man etwa auch am Beispiel der Verbrechen im Nationalsozialismus. «Personen haben so das Gefühl, sie würden etwas Gutes oder Notwendiges machen. Wenn die Gegenseite dämonisiert wird, fördert das solche Gefühle zutage.»
Hinzu komme, dass die Terrorisierung der Zivilbevölkerung auch Teil der russischen Militärdoktrin sei. Das habe man bei der russischen Armee bereits in Tschetschenien oder in Syrien gesehen. So steige die Gefahr für solche Gräueltaten wie in Butscha.
Nur wenige kämpfen dagegen an
Im Ukraine-Krieg seien damit drei wichtige Faktoren gegeben, die massenhaft Situationstäter entstehen lassen: «Ein grosses Machtgefälle (Bewaffnete gegen Unbewaffnete), sie müssen keine Bestrafung fürchten, und sie können sich die Taten schönreden («Entnazifizierung»).»
Im Krieg gebe es viele Mitläufer, so Urbaniok: «Die Mehrheit ist gefährdet, in entsprechenden Situationen zu Situationstätern zu werden – aus Bequemlichkeit, Angst, Gruppendruck oder anderen Gründen. Nur eine Minderheit schafft es, dagegen anzukämpfen.»