Ukraine-Krieg: Deshalb ist Putins Gasstopp-Drohung wohl ein Bluff
Mitten im Ukraine-Krieg droht Putin, Gas nur noch gegen Rubel nach Europa zu liefern. Zieht der Russe sein Vorhaben durch, verlieren beide Seiten.
Das Wichtigste in Kürze
- Für russisches Erdgas soll künftig mit Rubel bezahlt werden.
- Ansonsten droht Wladimir Putin mit einem Gas-Lieferstopp.
- Ein Experte vermutet, dass der Russe seine Drohung nie vollziehen würde.
Wladimir Putin will die angesichts des Ukraine-Kriegs abgestürzte russische Währung stärken. Deshalb soll russisches Erdgas fortan nur noch im Gegenzug für Rubel exportiert werden. Bisher wurde Gas in Dollar und Euro – jedoch nicht in Rubel – bezahlt. Und trotzdem: Sollten sich die Vertragspartner nicht an die neue Regelung halten, droht Putin mit einem Lieferstopp.
Was würde mit dem Gas passieren, sofern dessen Export tatsächlich eingestellt wird? Gegenüber MDR sagt Dominik Möst, Energiewirtschaftsprofessor an der TU Dresden: «Wenn ich das nicht speichern kann, muss ich mir dann schon die Frage stellen: ‹Was mache ich mit dem Gas?›».
In diesem Szenario könnte auf einen Verbündeten zurückgegriffen werden: «Ein Teil des Gases wird sicherlich Abnehmer in China finden.» Trotzdem stellt Möst klar: In den letzten Jahren habe es zwar eine Öffnung in Richtung China gegeben. Das bedeute jedoch nicht, dass jedes Förderfeld in Russland einen unmittelbaren Pipeline-Anschluss nach China habe.
Ukraine-Krieg: Verzicht auf Gaslieferung wäre grosse Herausforderung
Dass Putin tatsächlich einen Lieferstopp durchsetzen würde, hält Möst trotz des Ukraine-Kriegs für unwahrscheinlich. Das überschüssige Gas würde nämlich zum Problem, zumal Russland nicht über genügend Reservetanks verfügt.
«Natürlich gibt es zuletzt die Option, das Gas in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Daher stellt sich immer die Frage: Ist es wirklich eine Strategie, die jemand dann ernsthaft verfolgen will? Meine Einschätzung dazu ist tendenziell eher nein.»
Auch Reto Föllmi, Professor für internationale Ökonomie an der Universität St. Gallen, beurteilt die Lage ähnlich.
Denn: «Die Pipelines nach Asien haben nur eine beschränkte Kapazität. Schiffstransporte sind teuer», so Föllmi gegenüber Nau.ch.
Also alles nur ein Bluff von Putin? Föllmi betont: «Wenn Putin die Gaslieferungen stoppte, würde er natürlich Exporteinnahmen verlieren, was nicht in seinem Sinne ist.»
Putin möchte im Ukraine-Krieg wohl eher die Drohung aufrechterhalten
Er ergänzt: «Er möchte wohl eher die Drohung aufrechterhalten, in der Hoffnung, dass dies den Rubel stützt.»
Hinzu kommt, dass Russland enorm von den (vor dem Ukraine-Krieg) getroffenen Abmachungen profitiert: «Russland hat ein Interesse, seinerseits die Verträge zu bedienen, weil dort enorme Einnahmen dahinterstecken», so Möst.
Allerdings sei mittlerweile auch klar, dass man Putin «nicht in den Kopf schauen» kann. Zieht der russische Machthaber seine Drohung durch, hätte das fatale Folgen für Europa.
«Sicherlich kann man davon Teile ersetzen.» Trotzdem sei ein kompletter Verzicht auf die Gaslieferung eine extrem grosse Herausforderung. «Wenn nicht sogar unmöglich», betont Möst.
Ungeachtet dessen ergänzt Föllmi: «Ich rechne nicht mit einem Einlenken des Westens auf die russischen Forderungen. Die Situation ähnelt dem ‹Chicken Game›, wo es darum geht, wer zuerst einlenkt.» Dennoch ist sich der Professor sicher: «Besonders für Putin geht es darum, das Gesicht zu wahren. Darum hält er die Drohung aufrecht, setzt sie aber nicht sofort um.»