Ukraine-Krieg: Kann der «Schlächter» die Ukraine zum Sieg führen?
Mit Oleksandr Syrskyj führt ein rücksichtsloser General neu die Verteidiger im Ukraine-Krieg an. Er feierte aber auch einige Siege.
Das Wichtigste in Kürze
- Oleksandr Syrskyj ist der neue Oberbefehlshaber der Ukraine.
- Er gilt als rücksichtslos, hat den Übernamen «Schlächter», viele Ukrainer misstrauen ihm.
- Bei Kiew konnte er Erfolge verbuchen, bei Bachmut verzeichnete er grosse Verluste.
Was sich zuletzt abgezeichnet hat, trat am Donnerstag ein: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj entliess seinen Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj. Hintergrund sind lang andauernde Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden. Auf den sehr beliebten Saluschnyj folgt nun der weitgehend unbekannte und viel kritisierte Oleksandr Syrskyj.
Der 58-Jährige kam in der Nähe von Moskau zur Welt und studierte an der Höheren Militärkommandoschule in der russischen Hauptstadt. Dort wurden laut verschiedenen Medien auch viele russische Generäle, die im Ukraine-Krieg kämpfen, ausgebildet. 1986 zog Syrskyj dann in die Ukraine und diente in der sowjetischen Artillerie. Nach der Unabhängigkeit ging er zur ukrainischen Armee und stieg dort auf.
Bereits 2014 kämpfte er im Donbass gegen Russland, jedoch mit überschaubarem Erfolg. Im zweiten Konfliktjahr waren Tausende seiner Truppen bei Debalzewe umzingelt. Der General kapitulierte nicht, stattdessen orderte er den Rückzug an. Beim nächtlichen Versuch, die ukrainischen Linien zu erreichen, starben über 100 Soldaten.
Es ist genau dieses rücksichtslose Verhalten, das Syrskyj Kritik einbringt. Er soll ein General sowjetischen Stils, der alten Schule, sein und seine Soldaten durch den Fleischwolf jagen. Seiner Karriere schadete dies aber nicht. Im Ukraine-Krieg war er bislang der Kommandeur der Bodentruppen.
Und als solcher konnte er zu Beginn einige Erfolge erzielen. Er war für die Verteidigung Kiews verantwortlich und konnte mit kleinen Einheiten und schnellen Manövern mit Artilleriesystemen die Russen vertreiben. Später schaffte er es, grosse Teile der Region Charkiw zurückzuerobern.
Umstritten ist aber, wie gross Syrskyjs Anteil an den Siegen war. Gering, sagt ein Reserveoffizier gegenüber dem «Spiegel». Bei Kiew hätten Kommandeure der unteren Ebene den Erfolg herbeigeführt.
Ukraine-Krieg: Syrskyj verteidigte Bachmut lange und erhielt Kritik
Später im Ukraine-Krieg geriet der neue Oberbefehlshaber wieder in die Kritik: In Bachmut verteidigte er die strategisch wenig wichtige Stadt monatelang unter grossen Verlusten. Während Russland dort hauptsächlich ehemalige Häftlinge verlor, büsste die Ukraine laut Beobachtern ihre besten Soldaten ein. In der Gegenoffensive liess Syrskyj die unter russischer Kontrolle stehende Stadt erneut angreifen – wieder mit hohen Verlusten.
Militärexperte Ralph Thiele sagt gegenüber «Focus», Syrskyj habe erfahrene Truppen und kostbare Spezialkräfte für «symbolische Ziele» geopfert. Deswegen und wegen seiner verlustreichen Taktiken werde er von den Soldaten auch als «Schlächter» bezeichnet.
In Umfragen im Dezember wurde ihm dann auch nur wenig Vertrauen entgegengebracht: 33 Prozent vertrauten ihm, 15 Prozent misstrauten ihm, der Rest kannte ihn nicht.
Diese Zahlen werden der Ukraine wohl kaum helfen: Das Land ist dringend auf neue Soldaten angewiesen, ein Mobilisierungsgesetz hängt im Parlament fest. Ob viele Männer freiwillig unter dem «Schlächter» in den Ukraine-Krieg ziehen wollen, wird sich zeigen.