Ukraine Krieg: Sanitäterin filmte Alltag in Mariupol nach Angriff
Eine ukrainische Sanitäterin filmte zwei Wochen lang ihren Alltag im Ukraine-Krieg, bevor sie von den Russen gefangen wurde. Nun gehen ihre Videos um die Welt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die ukrainische Sanitäterin Yuliia Paievska (53) rettete in Mariupol zahlreiche Leben.
- Ihren Alltag filmte sie mit einer Body-Cam, die sie für eine Netflix-Doku bekommen hatte.
- Journalisten schmuggelten die Aufnahmen in einem Tampon an den Russen vorbei.
- Jetzt wurden die unglaublichen Bilder aus dem Alltag der Heldin veröffentlicht.
Yuliia Paievska (53) ist eine ukrainische Sanitäterin, die nach Kriegsausbruch in Mariupol arbeitete. Sie filmte hunderte Stunden ihres Alltags und übergab die Dateien Journalisten der Nachrichtenagentur AP.
Jetzt ist sie Kriegsgefangene der Russen. Seit fast zwei Monaten hat niemand mehr von ihr gehört. Ihre Bilder aus dem Ukraine-Krieg gehen aber jetzt um die Welt – und zeigen ihren unermüdlichen Einsatz, Menschen zu helfen.
Sanitäterin filmte Alltag im Ukraine-Krieg
Die Militärangehörige mit dem Spitznamen «Taira» machte dabei nämlich keinen Unterschied zwischen Freund und Feind. Ihre Aufnahmen zeigen, wie sie auch immer wieder russische Soldaten pflegte.
In Bildern vom 10. März ist zu sehen, wie sie und andere Sanitäter zwei russische Soldaten aus einer Ambulanz ausladen. Einer von ihnen sitzt im Rollstuhl, einer kniet gefesselt am Boden.
Auf die Frage von Beobachtern, ob sie wirklich die Russen behandeln werde, antwortet Taira: «Sie wären nicht so gnädig zu uns. Aber ich kann nicht anders.»
Auch im Ukraine-Krieg verletzte Zivilisten behandelte die 53-jährige Mutter. Besonders tragisch: Zwei Tage nach Kriegsausbruch kümmerte sie sich um zwei Kinder, deren Eltern in den russischen Bomben ums Leben kamen.
Trotz verzweifelten Versuchen, den kleinen Buben zu reanimieren, stirbt er in Tairas Armen. Dies verkraftet sogar die erfahrene Sanitäterin kaum, sie dreht sich weg und weint, «ich hasse das», sagt sie.
So gelangten die Aufnahmen aus Mariupol hinaus
Fast so unglaublich wie die Arbeit der Sanitäterin ist aber auch die Geschichte, wie die beeindruckenden Aufnahmen zustande kamen. Darin involviert waren neben Taira selbst auch Prinz Harry, Netflix und ein Tampon.
Aber von Anfang an: Zwischen 2018 und 2020 diente Yuliia Paievska als Sanitäterin in der Ostukraine. Dabei nahm sie auch als Athletin an den Invictus Games teil, einem internationalen Sportwettkampf für Militärangehörige.
Gegründet wurden diese von Prinz Harry, der nun vorhatte, über die inspirierenden Geschichten der Teilnehmenden eine Netflix-Dokumentation zu drehen. Dazu erhielt die Ukrainerin eine Body-Cam, mit der sie Szenen aus ihrem Leben filmen sollte.
Dann begann jedoch der Ukraine-Krieg. So filmte Taira stattdessen eine Dokumentation ihres Alltags im von Russen bombardierten Mariupol. Zwei Wochen lang dokumentierte sie alles, was sie erlebte.
Ihr letztes Video machte Taira am 9. März. Dann übergab sie eine Speicherkarte mit 256 Gigabyte an Bildmaterial an Journalisten der «Associated Press». Diese gehörten zum letzten internationalen Team, das die Stadt verliess.
Journalisten schmuggelten Speicherkarte in Tampon aus Mariupol
Damit ihnen die wertvollen Dateien nicht an einem russischen Checkpoint abgenommen werden, versteckten diese den Chip in einem Tampon. So passierten sie dutzende Kontrollen und gelangten schliesslich am 15. März ausser Landes.
Am folgenden Tag wurde Taira von den Russen im Ukraine-Krieg gefangengenommen. Kurz darauf erschien sie mit Prellungen im Gesicht im prorussischen Fernsehen in der Separatistenregion Donezk. Wie viele andere ukrainische Militärangehörigen, Journalisten und Zivilisten ist sie seither in Gefangenschaft und somit ohne jegliches Lebenszeichen verschwunden.