Ulrich Matthes: Das Kino ist nicht totzukriegen
Filme kann man heute überall schauen - daheim auf dem Fernseher oder unterwegs auf dem Handy. Als neuer Präsident der Filmakademie verrät Ulrich Matthes, warum er trotzdem an die grosse Leinwand glaubt. Und warum sein Herz auch bei Premieren von Kollegen «bubbert».
Das Wichtigste in Kürze
- Schauspieler Ulrich Matthes glaubt auch in Zeiten von Handyvideos und Streamingdiensten an eine Zukunft des Kinos.
«Ich glaube: Je digitaler unser Leben wird, desto grösser wird ein dem Menschen zutiefst innewohnendes Bedürfnis nach dem Analogen. Danach, dass man in einer Gruppe mit anderen Menschen etwas erlebt», sagte Matthes der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Der 59-Jährige ist seit Kurzem Präsident der Deutschen Filmakademie, bisher führte Iris Berben die Institution. Am Freitag (3. Mai) wird Matthes beim Deutschen Filmpreis die Goldene Lola verleihen. Gefragt nach der Zukunft des Kinos, sagte er, er sei «realistischer Optimist oder ein optimistischer Realist, wie man will».
Die Energie eines Kinosaals, eines Theatersaals, eines Konzertsaals, einer Sporthalle sei doch immer wieder faszinierend. «Diese grosse Leinwand, die in der Wirkung potenzierten Bilder und die damit verbundenen Emotionen gehen einem auf eine völlig andere Art und Weise unter die Haut als es dieses murmelnde, kleine iPhone oder das Alleine-auf-dem-Sofa-Hocken tun kann.» Matthes ist auch Ensemblemitglied des Deutschen Theaters in Berlin.
«Wir haben uns doch in den Jahrtausenden nicht so wesentlich verändert in unseren Bedürfnissen und Sehnsüchten, in unseren Wünschen nach Glück, nach Liebe, nach Freundschaft, nach Gemeinsamkeit», sagte der Schauspieler. «Deswegen ist das Kino als Ort wie als Form nicht totzukriegen.»
Die Kinos in Deutschland hatten im vergangenen Jahr mit sinkenden Besucherzahlen zu kämpfen. «Das deutsche Kino steht nicht so rosig da, wie wir es uns erhoffen. Und trotzdem glaube ich grundsätzlich immer eher ans Gelingen als ans Misslingen», sagte Matthes. Aus seiner Sicht sollte die Politik das Kino als Ort stärken. «Gerade in kleineren Städten ist das Kino als sozialer Ort wichtig.»
Die Politik müsse dabei helfen, das Kino wieder ein wenig besonderer zu machen. «Zu einem Ort, wo man sich danach vielleicht noch an die Bar hocken kann, es vielleicht eine Lesung oder eine Zusammenarbeit mit dem kleinen Stadttheater gibt.» Alles, was man auch im Sinne der Demokratie tun könne, um Orte zum Austausch verschiedener Meinungen und Haltungen zu schaffen, solle man tun.
Die grosse Koalition im Bund hatte sich zuletzt bereits darauf verständigt, Kinos auf dem Land mit einem «Soforthilfeprogramm» von fünf Millionen Euro unterstützen zu wollen.
Der Deutschen Filmpreis gilt als wichtigste nationale Auszeichnung in der Filmbranche. Die rund 2000 Mitglieder der Filmakademie stimmen über die Gewinner ab, ähnlich wie bei den Oscars in den USA. Die Auszeichnungen sind insgesamt mit fast drei Millionen Euro dotiert.
Die meisten Nominierungen hat das Drama «Gundermann» von Regisseur Andreas Dresen bekommen. Das Porträt über den DDR-Liedermacher Gerhard Gundermann (1955-1998) ist unter anderem als bester Spielfilm, für die beste Regie und das beste Drehbuch vorgeschlagen - insgesamt ist der Film zehn Mal nominiert.
Das Drama «Styx» von Wolfgang Fischer über eine Seglerin, die auf dem Meer auf ein Flüchtlingsboot trifft und entscheiden muss, wie sie sich verhält, kommt auf sechs Nominierungen. Mit jeweils fünf Nominierungen gehen Fatih Akins Serienmörderporträt «Der Goldene Handschuh» und der Film «Der Junge muss an die frische Luft» von Caroline Link über die Kindheit von Hape Kerkeling ins Rennen.
«Ich habe mich all die Jahre immer wahnsinnig auf den Deutschen Filmpreis gefreut, weil es mir grundsätzlich Spass macht, die Leistung von anderen hochleben zu lassen», sagte Matthes, der sowohl am Theater als auch in Filmen spielt («Novemberkind», «Der Untergang»).
«Ich bin jemand, der sich sehr mit anderen und für andere freuen kann. Ich bin auch sehr aufgeregt für andere», sagte Matthes. Er sei bei Kino- oder Theaterpremieren von anderen immer irre aufgeregt, auch wenn er nicht mitspiele. «Weil ich weiss, wie es den anderen geht. Mein Herz bubbert.»