UN: In Afghanistan droht humanitäre Katastrophe

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Afghanistan,

Die Taliban nehmen in Afghanistan eine Provinzhauptstadt nach der nächsten ein. Doch was bedeutet die Zurückdrängung der Regierungstruppen für die Bevölkerung?

Dichtes Gedränge an der pakistanisch-afghanischen Grenze in Chaman. Foto: Jafar Khan/AP/dpa
Dichtes Gedränge an der pakistanisch-afghanischen Grenze in Chaman. Foto: Jafar Khan/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Lage der Menschen in Afghanistan wird nach Einschätzung der Vereinten Nationen immer verzweifelter.

«Wir stehen kurz vor einer humanitären Katastrophe», sagte eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR am Freitag in Genf. Vor allem Frauen und Kinder würden vor den vorrückenden Taliban flüchten.

Inzwischen sei die Lebensmittelversorgung von etwa einem Drittel der Bevölkerung nicht mehr sichergestellt, erklärte ein Sprecher des UN-Welternährungsprogramms (WFP). Allein zwei Millionen Kinder seien auf Hilfe angewiesen. «Wir fürchten, dass das Schlimmste noch bevorsteht.» Die Lage werde immer unübersichtlicher. Jedenfalls stehe angesichts der Eskalation viel zu wenig Geld zur Verfügung, um wirklich helfen zu können. Bis Jahresende würden 200 Millionen Dollar gebraucht.

Nach der US-Ankündigung zum Abzug aus Afghanistan hatten auch die übrigen Alliierten wie Deutschland entschieden, den Einsatz zu beenden. Seitdem haben die militant-islamistischen Taliban in raschem Tempo weite Teile des Landes erobert.

Hilfsorganisationen wollen bleiben

Auch Hilfsorganisationen stellen sich auf eine humanitäre Krise in Afghanistan ein. Trotz der Gefahr wollen viele Helfer vor Ort bleiben. «Ich werde hierbleiben, solange das in irgendeiner Form möglich ist», sagte Stefan Recker von Caritas International Kabul am Freitag im Deutschlandfunk. Er wolle auch ein Beispiel geben, dass nicht alle Ausländer weggingen.

Die Afghanistan-Direktorin der norwegischen Flüchtlingshilfe Norwegian Refugee Council (NRC), Tracey Van Heerden, erklärte, die Eskalation des Konflikts mache zwar die Arbeit von Hilfsorganisationen schwieriger und gefährlicher. «Aber wir sind entschlossen, zu bleiben und zu liefern.»

Die eskalierende Gewalt zwinge Tausende Menschen, sich an sicherere Orte zu flüchten, erklärte der NRC. 390.000 Menschen seien nach UN-Schätzungen seit Jahresbeginn vertrieben worden, doch die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen. «Verängstigte Familien sind in den vergangenen Tagen nach Kabul geflohen. Lager sind überfüllt und Kinder schlafen draussen im Freien. Familien streiten ums Essen», erklärte Van Heerden. Der NRC befürchte, dass sich dies «in einem beispiellosen Tempo im ganzen Land wiederholt».

Schlechte Lage von Binnengeflüchteten

Recker sagte, viele Binnenflüchtlinge seien schon seit eineinhalb Jahrzehnten in Lagern im Grossraum Kabul; jetzt kämen viele dazu und die Versorgungslage sei schlecht. Caritas arbeite aktuell an Projekten für Binnenflüchtlinge in Kabul. Andere Projekte etwa mit Drogenabhängigen und zur Mutter-Kind-Gesundheit liefen weiter.

Zur Gefährdung der Helfer sagte Recker: «Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind bisher in den von den Taliban eroberten Gebieten nicht misshandelt, nicht angegriffen worden. Die Taliban haben sogar Büros von Hilfsorganisationen in den von ihnen eroberten Gebieten geschützt vor Plünderungen.» Allerdings hätten Taliban Mitarbeiter der Regierung und der Streitkräfte massakriert und deren Angehörige als Geiseln genommen. «Dabei kam es dann zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Davor haben natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen Angst.» Und man wisse nicht, wie sich die Taliban nach einer möglichen Machtübernahme verhalten würden.

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