Ungarns Parlament gibt Orban mit Notstandsgesetz freie Hand
Das Wichtigste in Kürze
- Ungarns Ministerpräsident Orban geht entschlossen gegen die Corona-Pandemie vor.
- Allerdings setzt er dabei das Parlament ausser Kraft und regiert quasi allein.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban kann künftig mit ebenso umfassenden wie umstrittenen Sondervollmachten gegen die Corona-Pandemie vorgehen. Das Parlament in Budapest billigte am Montag ein Notstandsgesetz, das es dem rechts-nationalen Regierungschef ermöglicht, ohne zeitliche Befristung auf dem Verordnungsweg zu regieren.
Für die Vorlage stimmten 137 Abgeordnete aus dem Regierungslager, 53 Abgeordnete der Opposition stimmten dagegen. Stimmenthaltung gab es keine. Damit war die Zweidrittelmehrheit erreicht, die erforderlich war, um ein Gesetz von dieser Tragweite für Bürger- und Freiheitsrechte beschliessen zu können.
Dauer der Vollmacht unbegrenzt
Das Gesetz soll dafür sorgen, «dass die Regierung alle zur Eindämmung beziehungsweise Abwehr der Folgen der Covid-19-Pandemie nötigen ausserordentlichen Massnahmen treffen kann», heisst es in der Einleitung. Dabei, so heisst es im Gesetzestext, könne sie «die Anwendung einzelner Gesetze suspendieren, von gesetzlichen Bestimmungen abweichen und sonstige ausserordentliche Massnahmen treffen».
Die Dauer dieser Vollmachten ist nicht konkret begrenzt - sie bemisst sich daran, wie lange die Regierung den Pandemie-Notstand als gegeben ansieht. Zwar kann auch das Parlament ein Ende des Notstands beschliessen. Das neue Gesetz besagt aber zugleich, dass die Vollmachten der Regierung im Falle der Verhinderung des Parlaments ohne zeitliche Frist bestehen bleiben. Zudem enthält der Gesetzestext keine Kriterien dafür, wann das Parlament als verhindert anzusehen ist.
Vorläufig keine Wahlen und Referenden
Weitere Bestimmungen beinhalten, dass während des Pandemie-Notstands keine Wahlen und Referenden stattfinden dürfen. Ausserdem werden die Strafen für Verstösse gegen Quarantänebestimmungen sowie für die Verbreitung von Falschnachrichten massiv verschärft.
Vor allem letztere Regelung ist Kritikern zufolge bewusst schwammig formuliert. So kann jemand, der eine wahre Tatsache auf eine Weise wiedergibt, die dazu angetan ist, «grössere Gruppen von Menschen zu beunruhigen», mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden. Unabhängige Journalisten befürchten, dass ihnen wegen kritischer Berichterstattung Haftstrafen drohen könnten.
Die Opposition forderte bis zuletzt vergeblich das Einziehen eines zeitlichen Horizonts für die Dauer der Sondervollmachten. In seiner fast zehnjährigen Amtszeit hat Orban nach Ansicht von Kritikern die demokratischen Institutionen in seinem Land ausgehöhlt und einen autoritären Regierungsstil gepflegt.