Unglück im Mittelmeer: Anklage gegen italienische Beamte
Anderthalb Jahre nach dem Untergang eines Flüchtlingsboots im Mittelmeer mit vermutlich mehr als 100 Todesopfern ist in Italien Anklage gegen sechs Beamte erhoben worden. Die Angehörigen von Küstenwache und Finanzpolizei müssen sich wegen unterlassener Hilfeleistung vor Gericht verantworten, wie die Justizbehörden mitteilten. Ein Schlepper aus der Türkei wurde wegen der Katastrophe bereits zu 20 Jahren verurteilt.
Drei weiteren mutmasslichen Schleppern soll ebenfalls der Prozess gemacht werden. Das Boot war im Februar vergangenen Jahres mit mehr als 150 Menschen an Bord in der Türkei gestartet, um Migranten über das Mittelmeer nach Süditalien zu bringen. Nach Berichten von Überlebenden kenterte das völlig überladene Schiff dann bei einem abrupten Wendemanöver, als die Küste bereits in Sichtweite war.
Kinder unter den Toten
Mindestens 94 Menschen kamen ums Leben, darunter viele Kinder. Noch immer werden Menschen vermisst. Vier der angeklagten Beamten gehören zur italienischen Finanzpolizei, zwei zur Küstenwache. Nach einem Bericht der italienischen Zeitung «La Repubblica» sieht die Staatsanwaltschaft die Hauptschuld bei der Finanzpolizei, weil von dort aus nach ersten Meldungen die Suche nach dem untergegangenen Schiff abgebrochen wurde, ohne die Küstenwache auch nur zu informieren.
Bei der Küstenwache sollen später auch die Logbücher gefälscht worden sein. Italiens Rechts-Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte nach dem Unglück die Strafen für Schlepper und deren Hintermänner drastisch verschärft – auf bis zu 30 Jahre Haft. Bei der gefährlichen Überfahrt von Flüchtlingsbooten über das Mittelmeer nach Europa kommen immer wieder Menschen ums Leben.