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Moria: SPD will Aufnahme «hoher vierstelliger» Migrantenzahl

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Griechenland,

Die SPD-Vorsitzende macht Druck. Die Union müsse sich im Tauziehen um die Aufnahme von Migranten aus Griechenland schon an diesem Montag bewegen, sagt Saskia Esken. Und versieht ihre Forderung mit einer Drohung.

Migranten vor neuen Zelten in einem provisorischen Lager in der Nähe der Inselhauptstadt Mytilini. Foto: Petros Giannakouris/AP/dpa
Migranten vor neuen Zelten in einem provisorischen Lager in der Nähe der Inselhauptstadt Mytilini. Foto: Petros Giannakouris/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Ringen in der grossen Koalition um die Aufnahme von Migranten aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria spitzt sich zu.

Die SPD erhöht den Druck und fordert bereits für diesen Montag eine Zusage der Union, mehrere tausend Menschen nach Deutschland zu holen.

Es müsse «ein hoher vierstelliger Betrag» sein, sagte die Vorsitzende Saskia Esken am Abend in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». Näher wollte sie dies nicht beziffern. Nach landläufigem Verständnis wäre eine hohe vierstellige Zahl eine deutlich oberhalb von 5000.

Unter Hinweis auf die am Montag tagenden Parteigremien von CDU, CSU und SPD fügte Esken hinzu: «Es muss morgen entschieden werden.» Sie hoffe auf ein Angebot der Unionsparteien, das einen Koalitionsausschuss unnötig mache. Angesprochen auf das Abstimmungsverhalten im Bundestag, wo die SPD bisher mehrheitlich gemeinsam mit dem Koalitionspartner Oppositionsforderungen zur weitergehenden Flüchtlingsaufnahme abgelehnt hat, sagte die Parteichefin: «Wenn jetzt die CDU/CSU ihre Blockade nicht aufgibt, dann müssen wir über andere Schritte nachdenken.»

Deutschland hatte sich auf Bitten Griechenlands bereiterklärt, 100 bis 150 unbegleitete Minderjährige aus Moria aufzunehmen, ebenso wie Frankreich. Zusammen mit acht weiteren europäischen Staaten sollen insgesamt 400 unbegleitete Kinder und Jugendliche übernommen werden. Eine EU-weite Lösung gibt es bisher aber nicht. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat deutlich gemacht, dass er darüber hinaus eine Lösung für Familien mit Kindern anstrebt.

Der SPD-Kanzlerkandidat, Finanzminister Olaf Scholz, sagte am Samstag: «Das muss mehr werden und ein deutlicher, klarer Schritt sein, den auch Deutschland begleitet mit der eigenen Bereitschaft, in grösserem Umfang weitere Flüchtlinge aufzunehmen.» Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte der «Bild am Sonntag»: «Deutschland sollte als Vorbild vorangehen, gern auch mit anderen Europäern in einer Koalition der Willigen.» Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) schlug im «Tagesspiegel am Sonntag» einen Krisengipfel von Bund, aufnahmewilligen Ländern und Kommunen vor.

Doch viele in der Union fürchten bei der Aufnahme einer grösseren Zahl von Menschen ein Signal mit Sogwirkung. Der stellvertretende CDU-Chef, Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl, sagte der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Samstag): «Wir können nicht alle der mehr als 12.000 Menschen aus dem zerstörten Flüchtlingslager in Deutschland aufnehmen - dann wären die nächsten 12.000 sehr schnell da.»

Deutsche Städte und Kommunen haben laut dem Beamtenbund dbb zahlreiche freie Plätze in Aufnahmeeinrichtungen, da Flüchtlinge von 2015 mittlerweile anders untergebracht oder nicht mehr im Land sind. «Die Erfahrungen aus 2015 haben insbesondere die Kommunen in die Lage versetzt, mit Flüchtlingsströmen besser umzugehen», sagte der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach der Deutschen Presse-Agentur. 2015 waren knapp 900.000 Asylbewerber weitgehend unkontrolliert nach Deutschland gekommen. Im vergangenen Jahr stellten rund 140.000 Asyl-Erstanträge. In den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder gab es laut «Süddeutscher Zeitung» im Frühjahr rund 25.000 freie Plätze.

Auf der Insel Lesbos, wo Moria liegt, ist die Lage auch nach Öffnung erster Ersatzunterkünfte für Migranten aus dem abgebrannten Lager angespannt. Die Athener Regierung schickte am Sonntag weitere Polizeieinheiten auf die Insel. Mehr als 300 Menschen konnten ein provisorisch errichtetes Zeltlager beziehen. Bei Corona-Tests wurde festgestellt, dass sieben von ihnen infiziert sind. Vor dem Brand waren bereits 35 positiv getestet worden, aber im anschliessenden Chaos verschwunden. Tausende Migranten leben nach wie vor auf der Strasse. Viele wehren sich verzweifelt dagegen, erneut in ein Lager gebracht zu werden.

Einige Migranten hinderten am Sontag andere daran, das frisch errichtete Zeltlager zu beziehen, wie griechische Medien berichteten. Auch ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation bestätigte das der Deutschen Presse-Agentur. Griechenlands Bürgerschutzminister Michalis Chrysohoidis drohte militanten Migranten Konsequenzen an.

Griechenland bleibt bei der Strategie, über die bereits ausgeflogenen unbegleiteten Minderjährigen hinaus keine Migranten aufs Festland zu lassen. Das sieht zum einen der Flüchtlingspakt zwischen EU und Türkei nicht vor; ausserdem fürchtet Athen, dass es auch in anderen Lagern Unruhen und Brandstiftungen gibt, wenn die Migranten auf Lesbos mit ihrer Gegenwehr Erfolg haben. Die grosse Mehrheit will aufs Festland und dann weiter nach Norden. «Wir wollen nach Deutschland - nicht ins Lager», bekamen Reporter vor Ort zu hören.

Unter den mehr als 12.000 Menschen, die seit dem Grossbrand am Mittwoch im Flüchtlingslager obdachlos sind, sind Familien mit Tausenden Minderjährigen. Viele haben kein Dach über dem Kopf und keinen Zugang zu Sanitäranlagen oder fliessendem Wasser. Nach Medienberichten soll eine aggressive Gruppe vor allem afghanischer Migranten für Unruhen und Brandstiftungen verantwortlich sein.

Aus Afghanistan kommen gut drei Viertel (77 Prozent) der ehemaligen Moria-Bewohner, ein kleinerer Teil kommt aus Syrien (8 Prozent) und dem Kongo (7 Prozent). Die Chancen auf Schutz sind unterschiedlich - für Syrer gut, für Afghanen schlechter.

Angesichts des Elends rief Papst Franziskus Europa zum Handeln auf. Er erinnerte in Rom an einen Besuch auf Lesbos 2016 und seinen damaligen Appell für eine «menschenwürdige Aufnahme der Frauen und Männer, der Migranten und Flüchtlinge, derjenigen, die Asyl in Europa suchen».

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