Urteil: Helmpflicht gilt auch für Sikh-Anhänger mit Turban

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Deutschland,

Ein Sikh möchte auf dem Motorrad aus religiösen Gründen Turban statt Helm tragen. Das darf er nicht, entschied das Bundesverwaltungsgericht. Noch besteht für den Mann aber eine kleine Chance, doch noch Religion und Motorradbegeisterung zu verbinden.

Richterin Renate Philipp und der Kläger: Am Tragen eines Motorradhelms kommt er auch künftig nicht vorbei. Foto: Sebastian Willnow
Richterin Renate Philipp und der Kläger: Am Tragen eines Motorradhelms kommt er auch künftig nicht vorbei. Foto: Sebastian Willnow - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Aus religiösen Gründen will ein Sikh-Anhänger seinen Turban beim Motorradfahren nicht abnehmen - allerdings passt der vorgeschriebene Schutzhelm nicht darüber.

Der Mann klagte bis zum Bundesverwaltungsgericht - und unterlag.

Das Bundesgericht sprach sich am Donnerstag in Leipzig für eine Helmpflicht aus (Az.: BVerwG 3 C 24.17). Es gibt aber noch eine weitere Chance auf eine Ausnahme für den Mann.

«Wer aus religiösen Gründen einen Turban trägt, ist nicht allein deshalb von der Helmpflicht befreit», sagte die Vorsitzende Richterin Renate Philipp bei der Urteilsverkündung. Die Pflicht könne den Sikh zwar in seiner Religionsfreiheit beeinträchtigen, er werde dadurch aber nicht an der Ausübung seines Glaubens gehindert.

«Ein Anspruch auf Befreiung von der Helmpflicht kann allenfalls bestehen, wenn ein Verzicht auf das Motorradfahren nicht zugemutet werden kann», führte Philipp aus. Der betroffene Sikh, der laut Internetseite ein Yoga-Studio in Konstanz betreibt, verfügt allerdings über einen Autoführerschein und besitzt einen Lieferwagen.

Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich mit seinem Urteil den Vorinstanzen an. Fahrer mit Helm seien eher in der Lage, nach einem Unfall Erste Hilfe zu leisten oder Rettungskräfte zu rufen. «Eine Helmpflicht macht man, weil wir diese schweren Unfälle nicht wollen», sagte Philipp während der Gerichtsverhandlung.

Ausserdem könnten Ärzte und Pfleger an einer Unfallstelle durch die schweren oder gar tödlichen Verletzungen, die ohne einen Schutzhelm wahrscheinlicher sind, traumatisiert werden. «Ich bin auch bei der Freiwilligen Feuerwehr, da muss man halt raus, wenn es brennt», entgegnete Sylvester Kraemer, Anwalt des Sikhs. «Dadurch so vehement die Religionsfreiheit meines Mandanten einzuschränken geht nicht», sagte er mit Blick auf die mögliche Traumatisierung von Unfallbeteiligten.

Die Stadt Konstanz hatte dem Sikh 2013 eine Ausnahmeregelung verweigert. Allerdings sei die Ermessenspraxis der Stadt Konstanz fehlerhaft gewesen, befand der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg. Das VGH hatte die Stadt verpflichtet, erneut über den Antrag zu entscheiden.

Nach dem Urteil des Revisionsgerichts stehe diese Prüfung nun an, sagte eine Vertreterin der Stadt Konstanz am Donnerstag in Leipzig. Je nach Ermessen der Stadt könnte der Sikh die Ausnahmeregel möglicherweise doch noch bekommen.

In Grossbritannien leben deutlich mehr Anhänger der Sikh-Religion als in Deutschland. Dort sind sie schon seit 1988 von der Helmpflicht ausgenommen, wenn sie beim Motorradfahren einen Turban tragen. Das gilt auch für Baustellen und andere Arbeitsplätze. Einen Helm müssen sie nur tragen, wenn eine erhöhte Gefahr herrscht, zum Beispiel für Feuerwehrleute in einem brennenden Gebäude. Laut Statistikbehörde lebten im Vorjahr knapp 405.000 Sikh-Anhänger in Grossbritannien.

In Deutschland leben nach Einschätzung des Religionswissenschaftlers und Sikh-Experten Robert Stephanus zwischen 18.000 und 20.000 Anhänger der Sikh-Religion, von denen aber nicht alle getauft sind. Etwa 40 Sikh-Tempel gebe es im Bundesgebiet. Nach der Taufe verpflichtete sich ein Sikh, unter anderem sein ungeschnittenes Haar zu tragen - hochgebunden zum Turban. «Frauen legen sich teilweise auch ein Tuch über die Haare», sagte Stephanus. Nicht alle Anhänger der Sikh-Religion seien getauft, hob der Religionswissenschaftler hervor. Auch, weil damit Verpflichtungen wie das Tragen des Turban einhergingen.

Auswirkungen auf Träger anderer religiöser Kennzeichen habe das Urteil wohl nicht, ordnete eine Gerichtssprecherin ein. Ein Kopftuch oder eine Kippa schlössen einen Motorradhelm anders als der Turban nicht aus.

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