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Mittelstand sieht viele Betriebe kurz vor Insolvenz

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Deutschland,

Wie ernst ist die Lage des Gastgewerbes und des Einzelhandels nach wochenlangen Corona-Beschränkungen? Der Mittelstandsverband fordert schnellere Hilfen. Sonst seien viele Insolvenzen unvermeidlich.

Der Mittelstand schlägt wegen vieler drohender Insolvenzen Alarm. Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild
Der Mittelstand schlägt wegen vieler drohender Insolvenzen Alarm. Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Mittelstand befürchtet, dass die staatliche Unterstützung für viele Unternehmen zu spät kommt.

Die Novemberhilfen für die vom Corona-Shutdown betroffenen Branchen würden zu langsam ausgezahlt, kritisierte der Bundesverband mittelständische Wirtschaft.

Die Bundesagentur für Arbeit sieht dagegen noch keine Insolvenzwelle auf Deutschland zurollen. Ein führender Ökonom erwartet eine sinkende Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2021.

Der Mittelstandsverband zeigte sich alarmiert: «Bis dato ist erst ein Bruchteil der dringend benötigten Liquidität bei den notleidenden Unternehmen angekommen, viele Klein- und Mittelbetriebe stehen unmittelbar vor der Insolvenz», heisst es in einem Brief der Organisation an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Eine Auszahlung der Hilfen erst im Laufe des Januars wäre inakzeptabel und führe bei vielen Unternehmen zu «extremer Verdrossenheit» - umso mehr, als die Dezemberhilfen erst im Januar beantragt werden könnten. «Wir bitten Sie daher dringend, gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister schnell und unbürokratisch eine Lösung zu finden. Bitte verbinden Sie Abschlagszahlungen mit der Auszahlung der Novemberhilfen.»

Nach Auskunft des Wirtschaftsministeriums werden Abschlagszahlungen der Dezemberhilfe nach derzeitigem Stand spätestens Anfang Januar fliessen. Unternehmen bekommen Abschläge in Höhe von 50.000 Euro, Soloselbstständige von bis zu 5000 Euro. Dies gilt bereits bei den Novemberhilfen. Die Bundesregierung hatte die milliardenschweren Hilfen für Unternehmen etwa aus der Gastronomie beschlossen, die ihren Geschäftsbetrieb wegen des Shutdowns Anfang November dicht machen mussten.

Bei den Novemberhilfen wurden nach Angaben des Ministeriums mit Stand Freitag insgesamt fast eine Milliarde Euro an Abschlagszahlungen an Firmen und Soloselbstständige wie etwa Künstler ausgezahlt. Das Ministerium sprach von einer starken Unterstützung für viele Unternehmer in einer schweren Zeit.

Finanzminister Olaf Scholz sagte Corona-Hilfen auf lange Sicht zu. «Finanziell können wir den Lockdown lange durchhalten, weil wir über eine robuste Volkswirtschaft mit sehr leistungsfähigen und international wettbewerbsfähigen Unternehmen verfügen», sagte der SPD-Politiker der Funke-Mediengruppe. Die neuen Überbrückungshilfen seien auf einen längeren Zeitraum angelegt. «Meine Botschaft: Der Staat hilft, solange es nötig sein wird.» Pro Monat kalkuliere die Regierung während des Shutdowns mit Kosten von etwa elf Milliarden Euro.

Ab Januar soll es die Überbrückungshilfe III geben. Erstattet werden dabei nicht wie bei den November- und Dezemberhilfen Umsatzausfälle, sondern betriebliche Fixkosten wie Mieten und Pachten. Der Bund hatte dies auch mit den immensen Kosten für die November- und Dezemberhilfen begründet. Der Höchstbetrag für die Überbrückungshilfe III wurde aber von 200 000 Euro auf 500 000 Euro erhöht. Dieser maximale Zuschuss ist geplant für direkt und indirekt von Schliessungen betroffene Unternehmen. Auch bei den Überbrückungshilfen III sind Abschlagszahlungen geplant.

Derzeit droht nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit keine Insolvenzwelle. «Unsere Zahlen geben so etwas im Moment nicht her», sagte der Vorstandsvorsitzende Detlef Scheele der dpa. Bis November seien knapp 1,2 Milliarden Euro an Insolvenzgeld gezahlt worden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres seien es 723 Millionen Euro gewesen. In den 2020er Zahlen sei aber auch die Insolvenz einer grossen Einzelhandelskette enthalten, die nicht pandemiebedingt gewesen sei. Gemeint sein dürfte die Insolvenz des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof.

Für das laufende Jahr stünden insgesamt 1,6 Milliarden Euro im Haushalt der Bundesagentur zur Verfügung, sagte Scheele. «Ob wir das brauchen, wissen wir nicht», sagte er. Für 2021 sei der gleiche Betrag im Haushalt eingestellt worden. Für pandemiebedingt überschuldete Firmen bleibt die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, mindestens bis Ende Januar ausgesetzt.

Der Chef der «Wirtschaftsweisen», Lars Feld, erwartet Anfang kommenden Jahres eine schrumpfende Wirtschaft. «Es ist davon auszugehen, dass im 1. Quartal 2021 wegen der Einschränkungen ein negatives Wirtschaftswachstum resultiert», sagte Feld der «Rheinischen Post». «Das fällt aber nicht so stark aus wie im Frühjahr dieses Jahres.» Damals seien die Wertschöpfungsketten angesichts von Grenzschliessungen unterbrochen und die Verunsicherung gross gewesen. «Von einer solchen Situation sind wir noch deutlich entfernt», sagte Feld.

Der Ökonom wandte sich zugleich gegen eine Ausweitung der Staatshilfen für Handel und Gastronomie. «Der Lockdown ist bitter für den Handel, aber mehr als die Überbrückungshilfen sollte es nicht geben», sagte Feld. Anders als bei vielen Dienstleistungen könne der Umsatz online stattfinden oder nachgeholt werden. «Wer den lokalen Handel privat unterstützen will, kann jetzt Gutscheine verschenken.»

Der Chef von Galeria Karstadt Kaufhof, Miguel Müllenbach, forderte hingegen von der Regierung mehr Interstützung. «Wir haben eine Benachteiligung gegenüber anderen Branchen wie zum Beispiel der Gastronomie, da wir keinen anteiligen Umsatzausfall erhalten», sagte Müllenbach der «Bild am Sonntag». Grössere Unternehmen seinen zudem auch dadurch benachteiligt, dass die Hilfen gedeckelt seien.

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann verlangte gleichfalls, dem stationären Einzelhandel nach dem Shutdown die gleichen Wirtschaftshilfen wie der Gastronomie zu gewähren. «Hier gibt es eine Schräglage», sagte Hoffmann der «Rheinischen Post» (Montag). «Hier muss der Wirtschaftsminister mit Blick auf den kleineren stationären Handel dringend noch mal nachjustieren: Es kann nicht sein, dass die einen 75 Prozent ihres Umsatzes ersetzt bekommen, die anderen aber nur die Fixkosten.»

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