VW steckt Milliarden in die E-Flotte und vernetzte Autos
Volkswagen will Elektrifizierung und digitalen Wandel mit Milliardeninvestitionen stemmen. Dafür sieht sich das Unternehmen trotz Einbruchs in der Corona-Krise gut gerüstet. Investoren stört aber, dass der Dieselskandal immer noch nicht ausgestanden ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Trotz Corona-Krise und zahlreicher hausgemachter Probleme verlangt VW-Boss Herbert Diess bei der Neuausrichtung des Autobauers hohes Tempo.
«Der Umbau des Unternehmens wird von Corona nicht gebremst, sondern beschleunigt», sagte der Konzernvorstand am Mittwoch in Berlin.
Das Management bekräftigte bei der Online-Hauptversammlung die milliardenschweren Investitionen in die Elektroflotte. «Viel weitreichender wird es sein, dass das Auto sich in den kommenden zehn Jahren zu einem vollvernetzten Mobilitätsdevice entwickelt», sagte Diess.
VW müsse in der Lage sein, nicht nur die Transporthülle anzubieten, sondern auch das Gehirn, das das Fahrzeug mit Künstlicher Intelligenz sicher steuere. Um das zu erreichen, müsse sich der Konzern hin zu einem Digitalunternehmen wandeln. Allein 14 Milliarden Euro fliessen den Angaben zufolge bis 2024 in den Aufbau der IT-Kompetenz und das autonome Fahren. In den Ausbau der E-Mobilität sollen bis 2024 33 Milliarden Euro fliessen. VW will Marktführer bei batterie-elektrischen Fahrzeugen werden.
Diess unterstrich erneut die Rolle Chinas als grösster Automarkt der Welt sowie Vorreiter und Treiber der Elektrifizierung. «Das Wachstum im chinesischen Automobilmarkt wird in diesem Jahrzehnt vorwiegend elektrisch sein», sagte der Manager. «Unsere Prognosen gehen davon aus, dass sich das jährliche Volumen von 2020 bis 2030 mehr als verzehnfacht». Erst vor wenigen Tagen hatte VW angekündigt, allein in China zwischen den Jahren 2020 und 2024 weitere rund 15 Milliarden Euro in den Ausbau der E-Mobilität zu investieren.
Trotz dieser Aufwendungen in der Corona-Krise bestätigte Volkswagen seinen Ausblick für das aktuelle Jahr. Der Dax-Konzern geht weiter von einem positiven operativen Ergebnis aus. Für das vergangene Geschäftsjahr will VW seinen Aktionären wie geplant eine Dividende zahlen. Wegen der nach wie vor schwer einschätzbaren Entwicklungen blieb das Management aber dabei, den ursprünglichen Dividendenvorschlag um 1,70 Euro auf 4,86 je Vorzugsaktie zu kürzen, um die Kasse zu schonen. Stammaktionäre sollen jeweils 6 Cent weniger bekommen.
Den geplanten Stellenabbau beim Lkw-Bauer MAN aus der VW-Nutzfahrzeugholding Traton verteidigte Diess. Der Manager verwies darauf, dass die wirtschaftliche Basis von MAN schon vor der Corona-Krise nicht ausreichend gewesen sei, um über den Lkw-Zyklus hinweg strategisch wichtige Investitionen zu finanzieren: «MAN Truck & Bus braucht die Restrukturierung mit Werkschliessungen und Personalabbau in der Grössenordnung von rund 9500 Stellen, um die Wettbewerbsfähigkeit herzustellen.»
Obwohl die Anleger in Berlin nicht dabei sein konnten und das ungewöhnliche Format der Online-Hauptversammlung einen direkten Dialog mit der VW-Führung verhinderte, übten die Aktionärsvertreter mit ihren schriftlichen Einlassungen und Fragen teils deutliche Kritik. So monierte etwa Fondsmanager Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka, dass der Dieselskandal noch nicht ausgestanden sei und «althergebrachte Kontrollschwächen» die VW-Investoren weiterhin teuer zu stehen kämen.
Auch die Investmentgesellschaft Union Investment kritisierte unter anderem «die verkrusteten Strukturen in Wolfsburg». Die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS richtete gleich eine ganze Palette kritischer Fragen an die VW-Führung und monierte die immer noch andauernden gerichtlichen Auseinandersetzungen gegen das Unternehmen aufgrund der «Diesel-Thematik», durch die bereits über 32 Milliarden Euro an Substanz vernicht worden seien. Ungeachtet dessen wurden Vorstand und Aufsichtsrat mit grosser Mehrheit entlastet.
Dass der Dieselskandal längst nicht vorbei ist, wurde zeitgleich in Bayern deutlich. Dort muss sich seit Mittwoch der langjährige Audi-Chef Rupert Stadler zusammen mit dem früheren Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und zwei Ingenieuren dem ersten deutschen Strafprozess in dieser Sache stellen. Allein für diesen Prozess hat das Landgericht München bis Ende 2022 Termine angesetzt. Ex-Vorstand Martin Winterkorn soll in Braunschweig gleich zweimal vor Gericht, wegen gewerbs- und bandenmässigen Betrugs und Marktmanipulation.
Gegen eine vom Oberlandesgericht in Celle angeordnete externe Prüfung zu den Manipulationen wehrt sich der Konzern weiter mit einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht. «Wir sind der Auffassung, dass die Anordnung der Sonderprüfung und der Austausch des Sonderprüfers Volkswagen in seinen durch die Verfassung geschützten Rechten verletzen», sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Aus Sicht von VW werden die Vorgänge bereits sehr breit und auch unabhängig aufgeklärt, sagte Pötsch mit Verweis den vom US-amerikanischen Justizministerium eingesetzten unabhängigen Kontrolleur (Compliance Monitor) Larry Thompson.