Weg in gesetzliche Kasse soll für Beamter leichter werden
Eine Bürgerversicherung ist für SPD und Linke ein bisher unerreichtes Ziel. Vor allem die Stellung der in der Regel privat versicherten Beamten steht dem entgegen. In mehreren Ländern werden hier nun die Hürden gesenkt.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem Vorreiter Hamburg wollen mehrere SPD- oder linksgeführte Länder Beamten den Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung erleichtern.
So gibt es konkrete Pläne in Thüringen, Brandenburg, Bremen und Berlin, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zeigt. In Hamburg können seit August 2018 neue Beamte oder solche, die bereits gesetzlich krankenversichert sind, einen Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als «pauschale Beihilfe» bekommen.
Heute sind mehr als acht von zehn Beamten in Deutschland privat krankenversichert. In einer gesetzlichen Kasse müssen sie den Beitrag bisher allein zahlen. Behandlungskosten werden in der Privaten Krankenversicherung (PKV) für sie zu 50 bis 70 Prozent vom Staat als Beihilfe übernommen, den Rest zahlt die Versicherung. Die SPD war 2017 mit der Forderung nach einer Bürgerversicherung in den Bundestagswahlkampf gezogen. Privatversicherte sollten dorthin wechseln können. Jeder Neuversicherte sollte automatisch Mitglied sein. Auch immer mehr Gutverdiener, Beamte und Selbstständige sollten gesetzlich versichert werden. In der Koalition mit der Union hatte so eine Reform keine Chance.
In Hamburg haben im ersten halben Jahr rund 1200 Beamte die pauschale Beihilfe beantragt. 1015 davon erhielten den Zuschuss nach Angaben des Personalamts mit ihren Februar-Bezügen bereits ausgezahlt. «Die Zahl von über 1000 Beamtinnen und Beamten zeigt, dass es einen grossen Bedarf für eine solche Regelung gibt», sagte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Dass überproportional viele Antragsteller aus den unteren Besoldungsgruppen stammten, «verdeutlicht, dass wir eine sehr sozial gerechte Alternative zur bisherigen Beihilfe geschaffen haben.»
Attraktiv sei das Modell insbesondere für Beamte mit Familie, da sie von einkommensabhängigen Beiträgen und der beitragsfreien Familienmitversicherung profitierten, sagte ein Behördensprecher. Zudem sei die pauschale Beihilfe ein Schutz vor Beitragsüberforderung im Alter. «Während Beiträge der privaten Krankenversicherung im Alter oft steigen, sinken die Beiträge der gesetzlichen mit abnehmendem Alterseinkommen.»
Thüringen will dem Hamburger Beispiel folgen. Die Landesregierung will Beamte vor die Wahl stellen, ob sie gesetzlich oder privat krankenversichert sein wollen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird derzeit im Innenausschuss des Landtags beraten. Mit dem geplanten Gesetz soll eine zusätzliche Beihilfe eingeführt werden, damit sich Beamte auch für die GKV entscheiden können, ohne finanzielle Nachteile fürchten zu müssen, hatte Innenstaatssekretär Uwe Höhn (SPD) in Erfurt erläutert.
Die Brandenburger Landesregierung brachte im Januar einen Gesetzentwurf zur Einführung einer solchen Pauschale in den Landtag ein. Finanzminister Christian Görke (Linke) sieht das als Schritt zur Steigerung der Attraktivität der Landesverwaltung. Mehr Geld haben dann die rund 4000 der rund 34 000 Brandenburger Beamten, die bereits freiwillig in der GKV sind und bisher den Beitrag komplett selbst tragen mussten. Bremens rot-grüne Regierung will Beamten ebenfalls künftig freistellen, ob sie privat oder gesetzlich versichert sein wollen.
Auch Berlin plant eine pauschale Beihilfe für Beamte, die freiwillig gesetzlich versichert sind. Entsprechende Eckpunkte hatte der rot-rot-grüne Senat beschlossen. In Kraft treten soll das Modell Anfang 2020. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) sieht in der Neuerung einen Beitrag, um Beamten eine echte Wahl zwischen GKV und PKV zu ermöglichen. Der Schritt sei vor allem im Hinblick auf Beamte in unteren Besoldungsgruppen wichtig.
In Niedersachsen werde das Thema der Aufnahme von Beamten in die GKV zurzeit «ergebnisoffen geprüft», teilte eine Regierungssprecherin mit. Dem Landtag in Hannover liegt ein Gesetzentwurf der oppositionellen Grünen-Fraktion vor, der wortgleich die in Hamburg geltende Regelung aufgreift. Aus dem Finanzministerium in Mainz hiess es, derzeit sei keine Initiative von Seiten des Landes geplant. Die Entwicklung in den anderen Ländern bleibe abzuwarten. Die Landesregierung beobachte diese.
Politiker von SPD und Grünen im Bund hatten die Ländervorstösse begrüsst. So auch der GKV-Spitzenverband. «90 Prozent der Bevölkerung sind gesetzlich versichert. Beamte sollten weder direkt noch indirekt daran gehindert werden, ein Teil der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung zu sein», sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, der dpa.
Der PKV-Verband und der Beamtenbund dbb lehnen die Vorstösse ab. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich gegen das «Hamburger Modell» gewandt.