Die Westbalkanländer warten seit über 20 Jahren auf ihre EU-Mitgliedschaft. Wie steht es um die Fortschritte?
Balkanstaaten
Serbian President Aleksandar Vucic, European Commission President Ursula Von der Leyen, Albania's Prime Minister Edi Rama and Kosovo's Prime Minister Albin Kurti. - EPA/OLIVIER HOSLET

Vor mehr als 20 Jahren hat die Europäische Union den Westbalkanländern eine Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Bei einem Gipfel am Montag im Rahmen des «Berlin-Prozesses» geht es um die Fortschritte der Länder:

Serbien (6,7 Millionen Einwohner).

Das nach Einwohnern grösste Westbalkanland Serbien ist seit 2012 EU-Beitrittskandidat, knapp zwei Jahre später begannen die Beitrittsgespräche. Problematisch ist aber vor allem Serbiens Verhältnis zum Kosovo. Belgrad erkennt die Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz bis heute nicht an.

Vergangenes Jahr kam es zu Gewalt mit mehreren Toten im Nordkosovo, die Nato verstärkte ihre Kfor-Schutztruppe.

Extrem kritisch sieht Brüssel das enge Band Serbiens zu Russland. Die EU ruft Belgrad immer wieder auf, die gegen Moskau verhängten Sanktionen umzusetzen.

Kosovo (1,9 Millionen Einwohner)

Wegen des Konflikts mit Serbien gilt das Kosovo nur als «potenzieller» EU-Beitrittskandidat. Die EU-Kommission verweist daneben auf politische Instabilität, Korruption und organisiertes Verbrechen. Das mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig von Serbien erklärt, knapp ein Jahrzehnt nach dem Kosovokrieg.

Neben Serbien erkennen auch fünf EU-Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo aus Furcht vor Abspaltungen nicht an: Spanien, Griechenland, Rumänien, die Slowakei und Zypern. Der Weg Richtung EU ist damit versperrt, denn er erfordert den Konsens der 27.

Bosnien-Herzegowina (3,8 Millionen Einwohner)

Bosnien-Herzegowina erhielt im Zuge des Ukraine-Kriegs Ende 2022 den Status eines EU-Beitrittskandidaten.

Im März 2024 gaben die europäischen Staats- und Regierungschefs grünes Licht für die Verhandlungen. Bevor die Gespräche beginnen, muss das Land aber noch weitere Reformen umsetzen. Bosnien-Herzegowina hatte die Aufnahme in die EU 2016 beantragt. Als problematisch gilt die mangelnde Stabilität.

Nordmazedonien und Albanien

In der serbischen Teilrepublik Republika Srpska gibt es Abspaltungsbestrebungen. Russlands Präsident Wladimir Putin wird vorgeworfen, diese zu unterstützen. Zudem kommt es in dem Staatsgebilde, dessen Grundlage der Friedensvertrag von Dayton 1995 war, immer wieder zu Spannungen zwischen muslimischen Bosniern, orthodoxen Serben und katholischen Kroaten.

Nordmazedonien (2,1 Millionen Einwohner)

Nordmazedonien ist von den Westbalkan-Staaten bereits am längsten EU-Beitrittskandidat: seit 2005. Die EU eröffnete die formalen Beitrittsgespräche aber erst im Juli 2022, kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Fortschritte sind durch das Mitgliedsland Bulgarien vorerst blockiert: Sofia fordert eine Verfassungsreform von Nordmazedonien, in der die bulgarische Minderheit anerkannt wird.

Nordmazedonien hat bereits einiges für die Annäherung an die EU getan: Das frühere Mazedonien änderte 2019 sogar seinen Namen, um einen Konflikt mit Griechenland über eine dortige gleichnamige Region auszuräumen. Das ebnete Nordmazedonien ein Jahr später den Weg in die Nato.

Albanien (2,8 Millionen Einwohner)

Albanien trat 2009 der Nato bei und beantragte im selben Jahr den EU-Beitritt. Wie im Fall Nordmazedoniens fand im Juli 2022 die erste Regierungskonferenz zu den Beitrittsverhandlungen statt.

In diesem September gaben die EU-Länder die jahrelange Praxis auf, Fortschritte mit Albanien an solche in Nordmazedonien zu koppeln. Nach Angaben des ungarischen EU-Ratsvorsitzes sind am Dienstag erste inhaltliche Verhandlungen mit Tirana geplant. Als problematisch gelten die Korruption und die organisierte Kriminalität.

Mit dem EU-Gründerland Italien vereinbarte Albanien zuletzt ein Migrationsabkommen, um bis zu 40'000 Bootsflüchtlinge pro Jahr aufzunehmen. Nach mehrmonatiger Verzögerung verkündete Italiens Botschafter in Albanien, Fabrizio Bucci, am Freitag, nun seien alle Lager «betriebsbereit».

Montenegro (670'000 Einwohner)

Das nach Einwohnern kleinste Westbalkanland hat sich einem EU-Beitritt am stärksten angenähert. Der pro-europäische Regierungschef Milojko Spajic strebt ihn in den kommenden Jahren an,

was als ehrgeizig gilt. Montenegro ist bereits Nato-Mitglied und hatte den EU-Beitritt bereits 2008 beantragt. Seit 2012 laufen die Verhandlungen. Die EU fordert unter anderem Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit.

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