Zugang zu Impfungen führt zu ungleichem Wachstum der Weltwirtschaft
Für die Wirtschaft vieler Industrieländer verschwindet die Pandemie im Rückspiegel. Die höhere Inflationsrate soll dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge nur ein vorübergehendes Problem sein. Ganz anders sieht die neue Wachstumsprognose für die Schwellen- und Entwicklungsländer aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Für die reichen Industrieländer haben sich die Wachstumsaussichten einer neuen Prognose zufolge nochmals verbessert, die Aussichten für viele ärmere Entwicklungs- und Schwellenländer haben sich hingegen verschlechtert.
Die Konjunkturaussichten vieler Staaten hingen inzwischen direkt von deren Zugang zu Corona-Impfstoffen ab, erklärte der IWF. Zudem können ärmere Länder Arbeitsmarkt und Konjunktur nur sehr begrenzt stützen.
Die Weltwirtschaft soll der am Dienstag vorgestellten Prognose zufolge dieses Jahr um starke 6 Prozent wachsen. Das entspricht dem vorigen Ausblick vom April, aber die Zusammensetzung des Wachstums hat sich geändert: Das Plus für die Industrieländer soll 5,6 Prozent betragen, 0,5 Prozentpunkte mehr als noch im April angenommen. Die Prognose für die Wirtschaft der Entwicklungs- und Schwellenländer für 2021 hingegen wurde um 0,4 Prozentpunkte auf 6,3 Prozent gesenkt.
«Schneller als erwartete Impfkampagnen und die Rückkehr zur Normalität haben zu Hochstufungen geführt, während der mangelnde Zugang zu Impfstoffen und wiederholte Covid-19-Wellen in manchen Ländern, insbesondere in Indien, zu Herabstufungen geführt haben», erklärte IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath. «Die weltweite Erholung der Wirtschaft setzt sich fort, aber mit einer grösseren Lücke zwischen entwickelten Volkswirtschaften und vielen Schwellen- und Entwicklungsländern», sagte sie.
Das Muster wird sich dem IWF zufolge auch 2022 fortsetzen. Die Weltwirtschaft soll um 4,9 Prozent wachsen, 0,5 Prozentpunkte mehr als noch im April angenommen. Angetrieben werden soll die Entwicklung von einem um 0,8 Prozentpunkte stärkeren Wachstum der Industrieländer (4,4 Prozent), vor allem aufgrund höherer staatlicher Ausgaben in den USA und der EU.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Schwellen- und Entwicklungsländer wiederum soll um 5,2 Prozent wachsen, eine Zunahme von 0,2 Prozentpunkten gegenüber der April-Schätzung. Die globale Erholung der Wirtschaft «ist nicht gesichert, bis die die Pandemie weltweit zurückgeschlagen ist», betonte Gopinath.
Allein die Wachstumsprognose für die USA, die weltgrösste Volkswirtschaft, hob der IWF zum Beispiel für kommendes Jahr um ganze 1,4 Prozentpunkte auf 4,9 Prozent an. Die USA werden auch in diesem Jahr die grosse Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft sein. Dort soll die Wirtschaft dank der erfolgreichen Impfkampagne und eines massiven Konjunkturpakets um 7 Prozent wachsen. Das wäre das stärkste Wachstum seit einer Generation, wie der IWF bereits in seiner Anfang Juli um 0,6 Prozentpunkte angehobenen Prognose für die USA erklärt hatte.
Die vergleichsweise hohe IWF-Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft liegt zum Teil auch daran, dass viele Staaten im Vorjahr wegen der Corona-Krise eine Rezession von historischem Ausmass erlebt hatten und nun wieder aufholen. Dem IWF zufolge brach die globale Wirtschaft 2020 wegen der Pandemie um historische 3,2 Prozent ein.
Zu den Verlierern der jüngsten Prognose gehören unter anderem die Staaten Asiens, die zuletzt mit einer neuen Corona-Welle zu ringen hatten. Neben Indien zählt der IWF auch Malaysia, Thailand, Vietnam die Philippinen und Indonesien zu dieser Kategorie. Das Wachstum in Indien etwa soll dieses Jahr infolge der dramatischen Corona-Welle rund 9,5 Prozent betragen - ganze 3 Prozentpunkte weniger als noch in der April-Prognose. Im kommenden Jahr soll das Wachstum mit 8,5 Prozentpunkten wiederum um 1,6 Prozentpunkte höher ausfallen.
Die Wachstumsprognose für China wurde ebenfalls gesenkt, allerdings vor allem wegen abnehmender staatlicher Unterstützung für die Wirtschaft. Die zweitgrösste Volkswirtschaft soll dieses Jahr um 8,1 Prozent wachsen, 0,3 Prozentpunkte weniger als im April angenommen. Nächstes Jahr soll es ein Plus von 5,7 Prozent geben.