Deshalb arbeiten Russland und Westen im All noch zusammen
Die ISS zeigt: Trotz Krieg kooperieren Russland und der Westen im Weltraum noch. Allerdings darf man sich von der scheinbaren Harmonie nicht täuschen lassen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die ISS wird trotz Ukraine-Krieg weiterbetrieben – man arbeitet nach wie vor zusammen.
- Experten erklären, wieso das bisher noch funktioniert.
- Klar ist: Auch das All bleibt nicht von geopolitischen Spielen verschont.
Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sind spätestens seit der Eskalation im Ukraine-Krieg auf einem Tiefpunkt. Das zeigt sich in verschiedenen Bereichen: Sei es politisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlich.
Überraschend scheint in dieser Hinsicht, dass man im Weltraum immer noch gemeinsame Sache macht. Kürzlich startete beispielsweise eine Sojus-Rakete zur Internationalen Raumstation ISS. Mit an Bord waren Vertreter aus Russland, Belarus – und den USA.
Wie lässt sich diese scheinbare Harmonie erklären?
Gegenüber Nau.ch betont Andrea Rotter von der deutschen Hanns-Seidel-Stiftung zunächst, dass der Eindruck etwas täuscht. Die Expertin für Weltraumsicherheitspolitik führt aus: «Die Zusammenarbeit auf der ISS ist mehr oder weniger die letzte Bastion der Kooperation zwischen dem Westen und Russland.»
Alles, was darüber hinausgeht, sei wegen des Ukraine-Kriegs weitgehend eingestellt worden. Zudem dürften die gemeinsamen Flüge zur ISS nur noch bis 2025 fortgesetzt werden. 2030 soll der Betrieb der Raumstation ohnehin zu Ende gehen.
Betrieb der ISS braucht alle Länder
Ähnlich sieht es das Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Martin Fischer, Leiter Kommunikation, sagt gegenüber Nau.ch: «Der Eindruck täuscht. Es wurden mehrere gemeinsame Projekte der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), wo die Schweiz Mitglied ist, mit Russland aufgrund des Ukraine-Kriegs abgebrochen.»
Die ISS ist in dieser Hinsicht ein Einzelfall. Fischer erklärt: «Dies hat auch damit zu tun, dass die ISS ein integriertes ‹zweiteiliges› System ist. Sodass es technisch nicht möglich ist, nur den US- oder nur den russischen Teil einzeln zu betreiben.»
Die momentane Zusammenarbeit bezüglich der ISS ist auch laut Rotter eher als «Zweck-Ehe» zu sehen. Es gehe aktuell darum, den Betrieb der Station zuverlässig aufrechtzuerhalten. Sowohl die Russen als auch die Amerikaner würden aber gleichzeitig unabhängige Forschungsprogramme vorbereiten.
Weltraum hat strategische Bedeutung
Klar ist gemäss Expertin Rotter: Die weltpolitische Lage hat auch Einfluss auf den Weltraum. So arbeitet Russland an einer eigenen Raumstation und an gemeinsamen Projekten mit China. Die USA würden dagegen ihre Zusammenarbeit mit Europa oder Japan verstärken.
Ein Grund dafür ist sicherlich die Abhängigkeit der Weltraumforschung von staatlichen Mitteln. Rotter sagt: «Staaten verfolgen mit der Finanzierung und Durchführung ziviler Forschungsprogramme durchaus politische und strategische Ziele.»
Sie führt aus: «Der Weltraum und die Raumfahrttechnologie gewinnen zunehmend an Bedeutung.» Dabei gehe es um die Beherrschung von wichtigen Technologien, aber auch um wichtige strategische Punkte im All für die Erdbeobachtung. Und auch der Rohstoffabbau auf dem Mond oder die Mars-Missionen können wichtige Ziele sein.
Laut Fischer vom SBFI gibt es in internationalen Projekten immer gewisse «partnerschaftliche Risiken». Das ist im Weltraum nicht anders. Er betont jedoch: «Andererseits erlaubt die internationale Zusammenarbeit, Projekte zu realisieren, die keiner der Partner alleine durchführen könnte.»
Expertin warnt vor nuklearen Waffen im All
Zuletzt sorgten auch geplante nukleare Weltraumwaffen der Russen für Aufsehen. Berichten zufolge will Moskau Atomfähigkeiten im All aufbauen. Das wäre ein Verstoss gegen das Völkerrecht, sagt Rotter.
Zudem betont sie, dass es sich auch um ein «erhebliches Sicherheitsrisiko» handeln würde. «Eine Detonation und die daraus resultierende Radioaktivität würden Satelliten in ihrer Funktion stören oder gar zerstören», erklärt die Politikwissenschaftlerin. Die Folgen wären dann selbst auf der Erde zu spüren.
Bleibt also der vage Blick in die Zukunft: Wie es nach 2030 mit der dann über 30-jährigen ISS weitergeht, ist nach wie vor unklar. Und auch sonst gibt es im All derzeit viele Fragezeichen. Fischers Fazit: «Wie die Zusammenarbeit im Weltraum in Zukunft aussehen wird, ist noch offen.»