Eine neue psychologische Studie hat gezeigt, dass instrumentale Musikstücke bei vielen Menschen die gleichen Emotionen aufkommen lassen.
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Instrumentale Musikstücke lösen universelle Gefühle aus – unabhängig vom kulturellen Hintergrund. - Unsplash

Das Wichtigste in Kürze

  • 2100 Musiksequenzen führten bei Testpersonen aus China und den USA zu gleichen Gefühlen.
  • Die Probanden bewerteten aber unterschiedlich, ob Wut gut oder schlecht ist.
  • Die Resultate könnten auch die Algorithmen von Streamingdiensten bereichern.
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«Musik ist die universelle Sprache der Menschheit», konstatierte bereits 1835 der amerikanische Dichter Henry Wadsworth Longfellow. Und auch wir wissen intuitiv, dass der richtige Sound uns nicht nur beim Joggen pushen kann, sondern uns auch Geborgenheit oder Triumph verspüren lässt oder manchmal sogar zu Tränen rührt. Aber: Fühlen wirklich alle Menschen dasselbe, wenn sie den Soundtrack von «Psycho» oder Vivaldis «Vier Jahreszeiten» hören?

Von Rock bis Marschmusik

Das wollte nun ein internationales Forschungsteam um den US-Psychologen Alan Cowen genau wissen und hat eine Studie durchgeführt, die kürzlich in der Zeitschrift PNAS erschien. Um zu prüfen, ob Musik universelle Gefühle unabhängig vom kulturellen Hintergrund auslöst, haben sie über 2500 Teilnehmenden aus den USA und aus China instrumentale Ausschnitte aus rund 2100 Musikstücken vorgespielt. Gesang kam darin nicht vor.

Dann mussten die Teilnehmenden die Stücke, die aus so unterschiedlichen Genres wie Rock, Heavy Metal oder auch aus der Marschmusik stammten, mit einer Auswahl von 28 Emotionskategorien bewerten. Eine weitere Gruppe sollte ausserdem feststellen, ob ein Stück eher positive oder negative Emotionen auslöst, was in der Psychologie als «Valenz» bezeichnet wird.

Musik kann auch erotisch klingen

Herausgefunden haben die Psychologinnen und Psychologen dabei, dass Musik sehr ähnliche Gefühle auslöst: 13 der 28 Emotionskategorien wurden sowohl von den chinesischen als auch von den amerikanischen Testpersonen übermässig oft benutzt, um zu beschreiben, wie sie sich beim Musikhören fühlten. Damit habe das Forschungsteam die grösste Ansammlung von Emotionen zusammengestellt, die beim Hören von Musik universell gefühlt werden können, sagte Mitautor Dacher Keltner in einer Mitteilung.

Darunter waren beispielsweise «amusement» (Amüsiertheit), «defiance» (Trotz), «eroticism» (Erotik), «annoyance» (Genervtsein) oder auch im Deutschen schwierig zu trennende Gefühle wie «anxiety» (etwa: Zustand ängstlicher Angespanntheit) und «scariness» (etwa: furchteinflössend).

Die Forschenden haben die 13 grundlegenden Emotionen, die alle Testpersonen beim Musikhören empfanden, kartografiert. Die Grafik zeigt auch, wie sehr sich gewisse Gefühle überlagern oder zusammen auftreten. - PNAS

Lief etwa «Vier Jahreszeiten» von Vivaldi, fühlten sich die Leute wach und energiegeladen; bei «Rock the Casbah» von The Clash fühlten sie sich «pumped up», also voller Tatendrang. Al Green’s «Let’s Stay together» löste sinnliche Gefühle aus, und wenn man ihnen «Somewhere over the Rainbow» von Israel Kamakawiwo’Ole vorspielte, verspürten sie Freude.

Die restlichen 15 Emotionskategorien wurden von den Testpersonen nicht stimmig oder nicht oft genug benutzt, um die Musikabschnitte zu beschreiben. Dazu gehörten beispielsweise Emotionen wie «nauseating» (Übelkeit erregend), «proud, strong» (stolz, stark), oder «bittersweet» (bittersüss).

Dass die Testpersonen die Musikstücke derart ähnlich beurteilten, erklären sich die Forschenden unter anderem dadurch, dass sich in einer globalisierten Welt viele Leute die gleichen Filme ansehen. Denn wer von klein auf Disney schaut, lernt früh, bestimmte Musik mit ganz spezifischen Gefühlen zu verknüpfen. Aber: Alles kann dieses Argument nicht erklären. Denn in einem zweiten Schritt liess das Team alle Testpersonen traditionelle chinesische Musik hören, die in den USA eher wenig bekannt ist, und kam zu ähnlichen Ergebnissen.

Forschung soll Streamingdiensten helfen

Bei ihrem Experiment machten die Forschenden auch eine überraschende Entdeckung darüber, wie wir unsere Gefühle eigentlich beschreiben und bewerten. Sie konnten nämlich zeigen, dass sowohl die chinesischen als auch die amerikanischen Probandinnen und Probanden die Musik zwar sehr ähnlich beurteilten, wenn sie den Stücken spezifische Gefühlskategorien zuordnen sollten. Wenn sie hingegen bewerten sollten, ob ihre Gefühle gut oder schlecht sind, wichen die Urteile stärker voneinander ab. «Menschen aus unterschiedlichen Kulturen können sich darüber einig sein, dass ein Lied wütend ist, aber gleichzeitig beurteilen sie anders, ob dieses Gefühl positiv oder negativ ist», sagte Mitautor Cowen gegenüber EurekAlert.

Diese Erkenntnisse über die Bewertung und Existenz von universellen Gefühlen, die von Musik ausgelöst wird, halten die Forschenden für zentral: Sie bereichern nicht nur die psychologische Grundlagenforschung, sondern könnten auch Streamingdiensten ermöglichen, ihre Algorithmen noch genauer der Stimmung ihrer Kundschaft anzupassen – und liefern nicht zuletzt neue Inputs für Psychotherapie und Psychiatrie.

Auf dieser interaktiven Karte können Sie nicht nur sehen, wie sich die Testpersonen beim Musikhören fühlten, sondern gleich selbst mithören.

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