Extreme Gen-Drift bei einer der letzten Jäger- und Sammler-Gruppen
Im Regenwald im Süden Thailands leben die Maniq, eine der letzten als Jäger und Sammler lebenden Gemeinschaften der Welt. Ein internationales Team hat nun ihre evolutionäre genetische Geschichte entschlüsselt. Demnach weisen die Maniq eine der stärksten genetischen Differenzierungen aller menschlicher Populationen auf, berichten die Forschenden im Fachblatt «Genome Biology and Evolution».
Das Wichtigste in Kürze
- Die kleine Gesellschaft der Maniq lebt in den bewaldeten Hügeln Südthailands, die Grösse der Population wird auf etwa 300 Personen geschätzt.
Kulturell werden die Maniq zu den Semang-Gruppen gezählt, welche sonst auf der malaiischen Halbinsel zu finden sind. Über die demografische Geschichte der Region wird aber aufgrund der komplexen Beziehungen zwischen den verschiedenen Gesellschaften auf dem südostasiatischen Festland in der Wissenschaft schon lange diskutiert.
Ein Forschungsteam um Tobias Göllner von der Universität Wien und Maximilian Larena von der schwedischen Universität Uppsala hat nun neue Erkenntnisse über die Maniq und ihre Beziehungen zu anderen indigenen Gruppen auf dem südostasiatischen Festland gewonnen. Dank der langjährigen Beziehungen des Wiener Kulturanthropologen Helmut Lukas zu der Gruppe und der Beteiligung der Maniq konnten sie genetisches Material von Angehörigen der Gruppe untersuchen. Diese Daten verglichen die Forscher dann sowohl mit DNA-Proben von heutigen Populationen aus der Region, als auch mit Erbgut steinzeitlicher Populationen sowie von Neandertalern und Denisovian.
«Eine unserer wichtigsten Schlussfolgerungen ist, dass die Maniq schon sehr lange in der Region leben und sich als eine sehr isolierte Population gehalten haben», erklärte Göllner gegenüber der APA. Auf die lange Abschottung schliessen die Wissenschaftler aufgrund der «extremen genetischen Drift, die wir bei den Maniq festgestellt haben».
Hintergrund dieses Drift-Effekts sind normale Mutationen im Erbgut, die andauernd passieren. «Meistens sind das neutrale Mutationen, die keine Veränderung der biologischen Fitness mit sich bringen, und die sich in einer abgeschlossenen Population über die Zeit stark akkumulieren», so Göllner. Diese genetische Differenzierung der Maniq gehört zu den stärksten bisher bekannten weltweit.
Für die Forschenden ist dies ein deutliches Signal für eine lange Geschichte geografischer und kultureller Isolation, eine historisch geringe Bevölkerungsgrösse und die kulturelle Praxis der Maniq, weitgehend innerhalb der eigenen Gesellschaft zu heiraten.
Blickt man weiter zurück in der Abstammungsgeschichte der Maniq finden sich Spuren der Hòabìnhian, einer Jäger-und-Sammler-Gesellschaft aus der mittleren Steinzeit, die vor mehr als 10'000 Jahren im heutigen Vietnam lebte. Während man im Genom der Maniq Anteile von Neandertaler-DNA findet, konnten keine Spuren von Denisova-Erbgut gefunden werden. Dieses Ergebnis sei für die Region nicht untypisch, jedoch noch ein grosses Feld wissenschaftlicher Diskussionen, so Göllner.
Göllner betont, dass zukünftige Arbeiten mit den Maniq immer schwieriger werden, «da die Gesellschaft auf Grund externer Faktoren immer mehr unter Druck gerät.». Neben Diskriminierung und Eindringen von Aussenstehenden in ihren Lebensraum, ist vor allem die Abholzung des Regenwalds ein zentrales Problem.
«Die Maniq sind sehr deeskalativ und würden nie jemanden sagen: 'Du darfst hier nicht herkommen'. Wenn es ihnen zu viel wird, packen sie ihre Sachen und gehen. Doch das Ausweichen wird durch den zunehmend kleiner werdenden Lebensraum immer schwieriger.» Die Gesellschaftsform der Jäger und Sammler sei die wohl ursprünglichste Form wie Menschen miteinander gelebt haben. Wenn die aktuellen Entwicklungen jedoch anhalten, wird es nicht mehr möglich sein den nomadischen Lebensstil beizubehalten.
https://doi.org/10.1093/gbe/evac021