Landwirtschafts-Subventionen sind laut Klimaforscher «pervers»

Nau forscht
Nau forscht

Bern,

Robert Watson ist eine der führenden Stimmen in der Diskussion um Klimawandel und Artensterben. Im Interview kritisiert er die heutige Landwirtschaft.

Matterhorn
Sicht auf das Matterhorn von Zermatt VS aus. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein UN-Bericht warnt, dass Tiere und Pflanzen in rasantem Tempo aussterben.
  • Laut Klimaforscher Robert Watson wird die Zerstörung der Natur teuer werden.
  • Deswegen sollten die «perverse Subventionen der Landwirtschaft» abgeschafft werden.

Bis Mai diesen Jahres hatte Umweltforscher Robert Watson den Vorsitz des Weltbiodiversitätsrats inne. Während seiner Amtszeit warnte Watson wiederholt vor dem massiven Artensterben und den Folgen des Klimawandels.

Robert Watson
Sir Robert Watson spricht während eines Interviews. - Youtube/UN Environment

Nau.ch: Im Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen ging es zuletzt ums Artensterben. Laut Ihrem Bericht sind eine Million von 8,1 Millionen Arten weltweit vom Aussterben bedroht. Weshalb?

Robert Watson: Es gibt verschiedene Gründe. Einer davon ist, dass wir fast alle natürlichen Ökosysteme und Lebensräume in landwirtschaftliche Anbauflächen und Wald umgewandelt haben, meist mit Monokulturen. Zweitens beuten wir sowohl das Land als auch die Meere zu stark aus. Der dritte Grund ist der Klimawandel, der vierte die Umweltverschmutzung und der fünfte Grund sind invasive Arten.

Nau.ch: Warum sind diese Veränderungen ein Problem?

Watson: Weil die Natur und die Biodiversität, also die biologische Vielfalt, für unser Wohlergehen wichtig sind. Die Natur liefert uns Nahrung, sauberes Wasser, Energie, Medizin. Das sind Dienstleistungen oder materielle Beiträge der Natur an uns. Ausserdem hilft die Natur, das Klima, die Verschmutzung, die Bestäubung durch Insekten, Überflutungen, Dürren, Schädlinge und Krankheiten unter Kontrolle zu halten. Und sie hat einen spirituellen Wert. Menschen lieben es, sich in der Natur aufzuhalten. Doch wir zerstören sie durch die Art und Weise, wie wir Lebensmittel, Holz, Textilien und Energie produzieren. Aber: Das Klima und die Natur zu zerstören, kostet Geld.

Nau.ch: Wie viel Geld? Können Sie Zahlen nennen?

Watson: Wir haben es für die Bestäubung durch Insekten in den USA ausgerechnet: Würden Bienen und Schmetterlinge fehlen, um Nutzpflanzen zu bestäuben, dann würden die Landwirtschaftlichen Erträge um etwa 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr weniger abwerfen. Es ist sehr schwer, die Kosten von Klimawandel, Verschmutzung, Überflutungen und Stürmen zu beziffern. Aber wenn wir zum Beispiel Mangrovenhaine an den Meeresküsten zerstören, dann zerstören Sturmfluten plötzlich die Dörfer vor Ort. Wir zahlen einen hohen Preis – auch wirtschaftlich.

Nau.ch: Können Tiere und Pflanzen sich nicht einfach an die veränderten Umweltbedingungen anpassen?

Watson: Ja, Arten können sich generell anpassen. Aber Tatsache ist, dass es die meisten Arten derzeit nicht schaffen, sich an den Klimawandel anzupassen. Dass wir diese eine Million Arten verlieren, ist nicht unvermeidbar – aber sie sind ganz klar bedroht.

Nau.ch: Was muss passieren, um das zu verhindern?

Watson: Zum Beispiel müssen wir die perversen Subventionen in den Bereichen Landwirtschaft, Energie und Transport abschaffen. Denn diese sind verantwortlich sowohl für den Klimawandel als auch für den Verlust der Biodiversität.

Nau.ch: Wenn wir die Landwirtschaft bei steigendem Nahrungsbedarf zurückfahren – werden die Menschen dann nicht hungern?

Watson: Wir könnten die Welt ohne weitere Extensivierung der Landwirtschaft ernähren. Wir verschwenden 30 bis 40 Prozent aller Lebensmittel. In Entwicklungsländern gelangen Lebensmittel oft nicht mal auf den Markt, weil es keine guten Transport- oder Lagermöglichkeiten gibt. In Europa und Nordamerika servieren Restaurants zu viel Essen und schmeissen es dann weg. Viele von uns kaufen zu viel Essen und schmeissen es dann eine Woche später ebenfalls weg. Viele Bauern in Afrika produzieren nur eine Tonne Nahrung pro Hektar, obwohl sie mit ein bisschen mehr Wissen und Chemie leicht drei bis vier Tonnen herstellen könnten. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Nahrungsmittel, die wir brauchen, herstellen können, ohne die Umwelt zu beeinträchtigen.

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«Nau forscht»

Im Rahmen dieser Serie erscheint jeden Sonntag ein exklusiver Beitrag des Wissenschaftsmagazins «higgs».

Dieser Beitrag wurde verfasst von Cornelia Eisenach.

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