Neben der Photosynthese lässt auch Wasserdruck das Holz wachsen
Photosynthese allein lässt Nadelbäume wachsen, lautete bisher das Credo. Schweizer Forscher zeigen nun: Der Wasserdruck im Stamm ist mindestens genau so entscheidend. Höhere Temperaturen, wie sie der Klimawandel erwarten lässt, sind also gar nicht so positiv.
Das Wichtigste in Kürze
- Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass die Menge des in den Nadeln gebildeten Kohlenstoffs die einzige treibende Kraft für das Wachstum aller Äste, Stämme und Wurzeln von Nadelbäumen ist.
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Eidg. Forschungsanstalt WSL fand nun im Walliser Lötschental heraus, dass Bäume in ihrer Wachstumsschicht (Kambium) nur dann Holz bilden, wenn der Wasserdruck in diesen Zellen genügend hoch ist - egal, wieviel Kohlenstoff vorhanden ist.
Während einem kontinuierlichen, sieben Jahre dauernden Monitoring von Lärchen und Fichten bei Ferden VS zeigte sich: Bäume an gut mit Wasser versorgten Standorten bilden mehr Holz als an Orten, an denen die Böden schneller austrockneten oder weniger Niederschlag erhielten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - neben den Schweizern welche aus Belgien, Frankreich, Spanien und den USA - hatten vor Beginn der Untersuchung erwartet, dass ein Mehr an Sonnenlicht auf den trockenen Standorten auch zu mehr Wachstum führt.
Um diese überraschende Beobachtung zu klären, legte die WSL in mehreren Höhenlagen an schattigen Nordhängen und stark besonnten Südhängen Probeflächen an, auf denen die Forschenden im Wochentakt das Holzwachstum von Fichten und Lärchen untersuchten.
Sie entnahmen aus der Wachstumszone von etwa 40 Nadelholzstämmen frische Mini-Bohrkerne. Darüber hinaus erfassten zahlreiche Messgeräte und Sensoren dort kontinuierlich Daten aus dem Boden sowie die Niederschlagsmenge und Lufttemperatur. Zudem wurde gemessen, wie viel Wasser die Bäume verdunsteten.
«Diese Studie ist die erste, die das Holzwachstum von ausgewachsenen Bäumen, die in einer natürlichen Umgebung wachsen, über einen so langen Zeitraum jede Woche exakt gemessen hat», sagt Richard Peters (WSL), der Erstautor eines kürzlich in der Fachzeitschrift «New Phytologist» erschienenen Artikels. «Dieser Versuch bot eine einmalige Gelegenheit, die Rolle des Wassermangels als limitierenden Wachstumsfaktor zu beschreiben», betont der Baumphysiologe.
Bisher konzentrierte man sich nur auf den Kohlenstoff, der während der Photosynthese aufgenommen wird. Und da diese vom Sonnenlicht abhängig ist, wertete man den Klimawandel für Bäume positiver, als er es verdient hätte. Wenn er nun trockenere Sommer bringt, wirkt sich dies negativ auf den Wasserdruck und somit das Stammwachstum aus. Die weltweiten Schätzungen des Holzzuwachses in Wäldern müssten folglich nach unten korrigiert werden.
Bleibt die Frage, was mit dem «überflüssigen» Kohlenstoff passiert, wenn der Baum mangels Wasserdruck nicht wächst? Weiterführende Untersuchungen im Lötschental könnten mehr Licht ins Dunkel des Baumwachstums bringen, sagt der Studienleiter Patrick Fonti (WSL).
*Fachpublikationsnummer https://doi.org/10.1111/nph.16872