Stetiger Fluglärm kann die Gesundheit schädigen
Eine britische Studie zeigt erstmals die konkreten Auswirkungen von permanentem Fluglärm auf das Herz.
Das Wichtigste in Kürze
- Menschen, die dem Fluglärm ausgesetzt sind, haben erhöhtes Risiko für Herzprobleme.
- Britische Wissenschaftler konnten Herzaufnahmen von 3635 Menschen auswerten.
- Doch wie genau Fluglärm auf das Herz-Kreislauf-System einwirkt, ist noch nicht geklärt.
Bei der Auswertung von Herzaufnahmen per Magnetresonanztomografie (MRT) stellten britische Wissenschaftler fest: Die linke Herzkammer bei Menschen, die nahe an Flughäfen wohnen, ist um durchschnittlich sieben Prozent schwerer als bei anderen Personen.
Dies erhöhe das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Probleme wie Herzrhythmusstörung, Herzinfarkt oder Schlaganfall um 32 Prozent. Das schreibt die Gruppe um Cristian Topriceanu vom University College London im «Journal of the American College of Cardiology» (JACC).
«Mit der Expansion der Luftfahrtindustrie wächst in Gemeinden, die in der Nähe von Flughäfen oder unter Flugrouten leben, die Besorgnis.» Und zwar «über mögliche Auswirkungen auf die Lebensqualität und den Schlaf».
Sie werteten in einer medizinischen Datenbank – der UK Biobank – Herzaufnahmen von 3635 Menschen aus.
Diese lebten in der Nähe eines von vier grossen englischen Flughäfen: London-Heathrow, London-Gatwick, Manchester und Birmingham.
Nach dem Abgleich mit Lärmdaten der britischen Luftfahrtbehörde CAA (Civil Aviation Authority) kalkulierten die Wissenschaftler: Acht Prozent dieser Teilnehmer wurden einem gemittelten Dauerschallpegel von 50 Dezibel oder mehr ausgesetzt.
Einwirkung noch nicht abschliessend geklärt
Drei Prozent lebten mit einem nächtlichen Fluglärm von 45 Dezibel oder mehr. Zum Vergleich: 50 Dezibel entsprechen etwa einer angeregten Unterhaltung.
Die Langzeitrisiken durch Veränderungen der linken Herzkammer ermittelte das Team aus Herzaufnahmen und anderen Daten. Dies von 21'360 Patienten aus der englischen Datenbank.
Bei der Risikokalkulation berücksichtigten die Forscher zahlreiche andere Faktoren, die Einfluss auf die Herzgesundheit haben können.
Darunter Geschlecht, Alter, Einkommen, Rauchen, Alkoholkonsum, Luftqualität und sonstige Lärmquellen.
Wie genau Fluglärm auf das Herz-Kreislauf-System einwirkt, ist noch nicht abschliessend geklärt. Es gibt jedoch Hinweise, dass diese Geräuschkulisse mit Übergewicht und Bluthochdruck in Verbindung steht.
«Zwischen einem Viertel und der Hälfte des Zusammenhangs wurde einem höheren Körper-Masse-Index bei Teilnehmern zugeschrieben, die grösserem Fluglärm ausgesetzt waren.» So wird Topriceanu in einer Mitteilung seiner Hochschule zitiert.
Lärmbelastung ein weltweites und zunehmendes Problem
Bei Patienten führten die Wissenschaftler zwischen neun und 36 Prozent des Unterschieds auf höheren Blutdruck zurück. Diese waren tagsüber mit Fluglärm konfrontiert.
Auf Bluthochdruck kann der Körper mit einem verstärkten Dickenwachstum des Herzmuskels reagieren.
Bei den vom Fluglärm Betroffenen hatte eine verdickte Herzwand den grössten Anteil an der durchschnittlich sieben Prozent schwereren linken Herzkammer.
In der Folge wird das Herz steifer, kann sich weniger stark dehnen und die Pumpleistung nimmt ab.
«Andere Faktoren, die durch Stressreaktion auf Fluglärm ausgelöst werden könnten, sind Schlafstörungen, Entzündungen und Arteriosklerose», betonte Topriceanu.
Der Kardiologe Thomas Münzel von der Universitätsmedizin Mainz lobte die Untersuchung in einem Kommentar zur Studie im gleichen Fachblatt. Lärmbelastung durch Verkehr sei ein weltweites und zunehmendes Problem. Nächtlicher Lärm sei besonders schädlich.
Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung betonte, dass die Studie das Forschungsfeld erweitere. «Die MRT-Aufnahmen sind in hohem Masse standardisiert, deshalb sind die Herzaufnahmen gut miteinander vergleichbar», erläuterte der Kardiologe.
Auch in der Schweiz immer wieder ein Thema
Die Ergebnisse der Studie seien auf Deutschland übertragbar, denn Anwohner von Flughäfen hierzulande seien ähnlichen Dezibelwerten ausgesetzt wie in England.
Meinertz, Münzel und auch die Autoren der Studie plädieren dafür, der Staat solle seine Einwohner besser vor gesundheitsschädlichem Fluglärm schützen.
Auch in der Schweiz ist Fluglärm immer wieder ein Thema.
Neueste Zahlen, die im Dezember 2024 in einem Flughafenbericht publiziert wurden, zeigten: Rund um den Flughafen Zürich war eine zunehmende Zahl von Anwohnerinnen und Anwohnern am Abend von Fluglärm betroffen. Die Zahl der Flüge nach 23 Uhr überschritt das Vor-Corona-Niveau erstmals wieder.
Über 23'000 Personen gaben an, dass sie in der Nacht von Flugzeugen gestört würden. Das waren 37 Prozent mehr als im Vorjahr.
Der Kanton Zürich kam deshalb zum Schluss, dass die Erwartungen an die Lärmbegrenzungen «nicht erfüllt» würden.
Der Flughafen Zürich beantragte deshalb Anfang Woche eine Erhöhung der Lärmzuschläge für Starts nach 23 Uhr. Sowie eine zusätzliche Gebührenstufe für Starts ab 23.15 Uhr.
Damit solle ein Anreiz geschaffen werden, um im Verspätungsfall möglichst rasch zu starten, teilte der Flughafen am Dienstag mit.