Wo Eltern ihre Kinder schlagen, eskaliert die Jugendgewalt
Nicht in allen Ländern ist es verboten, in der Kindererziehung Gewalt einzusetzen. Und dort wo die Züchtigung nicht verboten ist, gibt es mehr Jugendgewalt.
Das Wichtigste in Kürze
- Jugendgewalt ist weniger verbreitet in Ländern, welche die körperliche Bestrafung von Kindern verbieten.
- Das zeigt eine Studie kanadischer Forscher, die 88 Länder und 400'000 Jugendliche befragt haben.
- Ob aber das Züchtigungsverbot tatsächlich der Grund für weniger Jugendgewalt ist, bleibt unklar.
In Ländern, in denen die körperliche Bestrafung von Kindern verboten ist, gibt es weniger Jugendgewalt. Das zeigen Ergebnisse von Psychologen der McGill University im kanadischen Montreal. Die Forschenden analysierten Befragungsdaten von über 400'000 Jugendlichen in insgesamt 88 Ländern aus allen Teilen der Welt, auch aus der Schweiz.
Konkret beantworteten die Teenager die Frage, ob sie innerhalb des vergangenen Jahres in einen gewalttätigen Streit geraten sind. Die Antworten verglichen die Forschenden mit der Rechtslage in den einzelnen Ländern: Ob körperliche Strafen bei Kindern erlaubt sind, und wenn ja, ob auch Lehrer die Kinder züchtigen dürfen oder ob dies den Eltern vorbehalten bleibt. In der Schweiz ist die Regelung widersprüchlich: Zwar haben Eltern seit 1978 kein Recht mehr, ihre Kinder zu züchtigen, explizit verboten ist es aber bisher nicht.
Die Analyse der Daten zeigte, dass in Ländern mit komplettem Züchtigungsverbot die Jugendgewalt bei Buben um rund 30 Prozent und bei Mädchen um fast 60 Prozent tiefer war als in Ländern ohne Verbot. Allerdings: Als die Forschenden zusätzliche erklärende Faktoren für weniger Jugendgewalt – etwa Waffenverbote oder Erziehungsprogramme für Eltern – in ihre Berechnungen aufnahmen, war einzig die geringere Rate der Mädchen signifikant.
Die Forschenden weisen darauf hin, dass es zwar einen Zusammenhang zwischen dem Züchtigungsverbot und der Jugendgewalt gibt – den Grund dafür können sie aber nicht benennen. So könnte es entweder sein, dass die Verbote tatsächlich die Gewalt eindämmen. Oder aber, dass Jugendgewalt und Körperstrafen in Ländern schon seltener waren, bevor diese die Verbote einführten.
Trotzdem sei es wichtig, körperliche Strafen an Kindern zu verbieten, schreiben die Forschenden. Denn jedes Kind hat das Recht, in einer gewaltfreien und sicheren Umgebung aufzuwachsen.
Initiated by Gebert Rüf Stiftung