Diciotti: Bootsflüchtlinge in Italien dürfen nicht ans Festland

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Italien,

Die 177 Migranten an Bord des italienischen Schiffs Diciotti dürfen nicht ans italienische Festland. Das Spiel um Bootsflüchtlinge wiederholt sich erneut.

Das Schiff der italienischen Küstenwache Diciotti mit 67 Migranten an Bord bei der Einfahrt in den Hafen Trapani in Sizilien am 12. Juli 2018.
Das Schiff der italienischen Küstenwache Diciotti mit 67 Migranten an Bord bei der Einfahrt in den Hafen Trapani in Sizilien am 12. Juli 2018. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Rettungsschiff der italienischen Küstenwache Diciotti darf keine Flüchtlinge abladen.
  • Für seine harte Gangart erhält Italiens Innenminister Salvini Beifall.
  • Die Europäische Union scheint unfähig, die Bootsflüchtlings-Problematik zu lösen.

Das Spiel wiederholt sich erneut: Schon wieder steckt ein Schiff mit Migranten an Bord im Mittelmeer fest. Dieses Mal handelt es sich um das Schiff der italienischen Küstenwache «Diciotti» mit 177 Migranten an Bord. Inzwischen konnte das Schiff zwar einen Hafen anfahren, die Flüchtlinge dürfen jedoch weiterhin nicht das Boot verlassen.

Letzten Donnerstag hatte die Diciotti 190 Flüchtlinge aus einem überfüllten Boot innerhalb der Such- und Rettungszone Maltas aufgenommen. 13 der Migranten bedurften dringende medizinische Hilfe und wurden auf die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa gebracht. Die Crew wollte daraufhin die restlichen Aufgenommenen nach Malta bringen, doch dort verweigerte man die Aufnahme – das Schiff sei in keiner Notlage und die Migranten hätten die maltesische Hilfe abgelehnt, so die Begründung aus Malta.

Warten auf europäische Lösung

Schon im Juni befand sich die «Aquarius», ein Rettungsschiff der Hilfsorganisation SOS Méditerranée, auf tagelanger Irrfahrt auf dem Mittelmeer, bis schliesslich das Schiff mit 679 Migranten an Bord in Spanien anlegen konnte. Mitte August wiederholte sich die Geschichte der Aquarius, bis die 141 Flüchtlinge schliesslich nach Malta gebracht wurden, nachdem die Länder Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Portugal und Spanien sich bereit erklärten, die Geretteten aufzunehmen.

Migranten und Besatzungsmitglieder des Rettungsschiffes Aquarius winken beim Einlaufen in den Hafen von Senglea. Das Schiff mit 141 aus Seenot geretteten Menschen an Bord hatte fünf Tage auf hoher See warten müssen, bevor Malta sich bereit erklärte, es anlanden zu lassen.
Migranten und Besatzungsmitglieder des Rettungsschiffes Aquarius winken beim Einlaufen in den Hafen von Senglea. Das Schiff mit 141 aus Seenot geretteten Menschen an Bord hatte fünf Tage auf hoher See warten müssen, bevor Malta sich bereit erklärte, es anlanden zu lassen. - dpa

Nun warten die Migranten an Bord der Diciotti auf eine europäische Lösung. Der italienische Innenminister Matteo Salvini hatte zu verstehen gegeben, dass die Flüchtlinge das Schiff erst verlassen dürfen, wenn die italienische Regierung Garantien anderer EU-Länder zur Aufnahme der Flüchtlinge hat. «Entweder entscheidet sich Europa ernsthaft, Italien konkret zu helfen, oder wir werden gezwungen sein, das zu tun, was das Geschäft der Menschenhändler für immer beendet», so der Wortlaut Salvinis. Heisst: die aufgegriffenen Menschen sollen nach Libyen gebracht werden.

Salvinis harte Gangart

Die tagelangen Irrfahrten von Rettungsschiffen auf dem Mittelmeer zeigen, an der südlichen EU-Aussengrenze herrscht ein neues Regime im Umgang mit den Bootsflüchtlingen. Seit in Italien die Populistenregierung von Lega und Cinque Stelle am Steuer ist, werden die Schotten zu Italien dicht gemacht. Schiffe von Nichtregierungsorganisationen können nicht mehr anlegen und selbst die eigene Küstenwache darf die Migranten nicht abladen. Der Mann dahinter: Matteo Salvini.

Rechtskonservative Kreise innerhalb Europa begrüssen die harte Gangart des italienischen Innenministers. So etwa Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. Er will, laut österreichischen Medien, gar ein Anlegestopp für sämtliche Flüchtlingsschiffe in Europa. Migranten sollen in ihre Ursprungsländer zurückgeschickt oder in ein sicheres Drittland auf afrikanischen Boden gebracht werden.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz.
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. - dpa

Dies ist jedoch nicht so einfach wie es klingt: Die Rückführung – etwa nach Libyen – verstösst gegen internationales Recht, da den Migranten Missbrauch und Folter droht. Darauf haben die EU und die Vereinten Nationen unlängst hingewiesen. Hinzu kommt, dass auch die nordafrikanischen Länder die Last der Flüchtlingsströme nicht tragen will.

Innenminister wird zum Popstar

Die Problematik der Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer deckt zweierlei Dinge auf: Einerseits die Unfähigkeit der Europäischen Union eine vernünftige und koordinierte europäische Migrationspolitik zu entwickeln. Andererseits, dass inzwischen Populisten – allen voran Salvini – in Sachen Migration das Heft an sich gerissen haben.

Italiens Innenminister Matteo Salvini posiert im Juli für ein Foto mit Fans in Pontida, Italien.
Italiens Innenminister Matteo Salvini posiert im Juli für ein Foto mit Fans in Pontida, Italien. - Keystone

Brüssel hat es verpasst, eine Lösung zu finden, um Italien zu entlasten. Mehr als 650'000 Menschen sind seit 2014 an der Küste Italiens gestrandet. Schon die damalige sozialdemokratische Regierung von Matteo Renzi kritisierte, dass Italien die Hauptlast der Migration trage. Inzwischen bestimmen die Populisten um Salvini die Gangart und punkten damit über die Grenzen hinweg. In Italien selbst wird der Lega-Chef inzwischen wie ein Popstar gefeiert.

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Die italienische Insel Lampedusa (roter Punkt) südlich von Sizilien, westlich von Malta und nördlich von Libyen mit der Hauptstadt Tripolis. - Google-Maps

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