Recep Tayyip Erdogan: So viel Macht hatte er noch nie
Erdogan ist als Präsident vereidigt. Nun hat er so viel Macht wie nie zuvor. In seinem neuen Kabinett sitzt auch sein Schwiegersohn. Wird er sein Nachfolger?
Das Wichtigste in Kürze
- Erdogan wurde als Staatspräsident vereidigt.
- Sein Schwiegersohn Berat Albayrak wird neuer Finanzminister und Schatzmeister.
- Albayrak gilt als fähiger Minister – schafft er es die Märkte zu beruhigen?
Nun ist er vereidigt: Recep Tayyip Erdogan ist seit Montag offiziell türkisches Staatsoberhaupt und Regierungschef zugleich. Damit ist die Umwandlung der Türkei von einer parlamentarischen in eine präsidiale Demokratie endgültig abgeschlossen. Und Erdogan hat so viel Macht wie nie zuvor. Denn: Das Parlament hat nun keinen Einfluss mehr. Er kann sein Regierungskabinett selber zusammenstellen. .
Und das hat Erdogan auch getan. Sein neues Kabinett umfasst 16 Minister. Dabei setzt Erdogan vor allem auf alte Vertraute. So verbleibt Mevlüt Cavasoglu als Aussenminister und Abdülhamit Gül im Justizministerium. Sülexman Soylu ist weiterhin Innenminister und der bisherige Staatssekretär Fuat Oktay erster Vizepräsident.
Wird er der nächste Erdogan?
Eine Personalie erstaunt besonders: sein Schwiegersohn Berat Albayrak wird mit dem Finanzministerium – zu dem künftig auch das Schatzamt zählt – betraut. In der aktuell schwächelnden wirtschaftlichen Lage der Türkei eine besondere Schlüsselrolle. Albayrak, der mit Erdogans ältester Tochter Esra verheiratet ist, war Chef der regierungsnahen Calik Holdin. 2015 wurde er dann für die regierende AKP ins Parlament gewählt. Kurz darauf wurde er von Erdogan zum Energieminister ernannt.
Albayrak zählt zum engsten Zirkel der Erdogan-Vertrauten. Und dazu gehören nur wenige. Obwohl Erdogan zwei Söhne hat, wird der Schwiegersohn als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge des 64-jährigen Erdogan gehandelt.
Der 40-Jährige hat in den USA Betriebswirtschaft studiert, spricht perfekt Englisch und selbst unabhängige Beobachter schätzen ihn als einen der fähigsten Minister in Erdogans neuer Mannschaft ein. Seine Fähigkeiten wird er auch unter Beweis stellen müssen, denn nach Jahren des wirtschaftlichen Booms steckt das Land in einer Rezension: Eine Inflation auf dem höchsten Stand seit 15 Jahren, ein Defizit in der Leistungsbilanz und ein Rückgang der Devisenreserven bei der Zentralbank lassen einige Analysten gar von Vorboten einer Finanzkrise sprechen.
Konflikt vorprogrammiert
Der bisherige Finanzminister Naci Agbal und der für die Wirtschaftspolitik zuständige Vizepremier Mehmet Simsek galten als Gegenpole zum oftmals unberechenbar agierenden Erdogan. Nun sind sie nicht mehr in seiner Regierung vertreten. Das deutet darauf hin, dass Erdogan das Heft selber in die Hand nehmen will.
Dazu gehört etwa, dass Erdogan mit seiner neuen Machtfülle seinen Einfluss auf die Notenbank geltend macht. Noch am Dienstag erliess er ein Dekret, das ihn per sofort ermächtigt, den Präsidenten und Vizepräsidenten der Zentralbank zu bestimmen. Zudem wird die Amtszeit der beiden Chef-Notenbanker von fünf auf vier Jahre reduziert. Damit wird die Unabhängigkeit der Nationalbank enorm eingeschränkt.
Die Anleger reagierten alarmiert – die türkische Lira verlor gegenüber dem Dollar über drei Prozent. So wird der neue türkische Finanzchef Albayrak gleich von Anfang an vor grosse Herausforderungen gestellt. Einerseits muss er die Anleger beruhigen können. Heisst: er bremst das türkische Wachstum und weist seinen Schwiegervater in die Schranken. Oder aber er kurbelt die türkische Konjunktur mit billigen Krediten, staatlichen Subventionen und riesigen Infrastrukturprojekten – wie es Erdogan über Jahre hinweg getan hat – weiter an. Dann aber nimmt die Gefahr einer Finanzkrise stetig zu.